Frank Elstner, Josef Neuenhofer und die Strassenkinder

Am Vorabend des zweiten Advents sitzen wir in einer kleinen Runde im katholischen Pfarrheim St. Antonius in Gey zusammen. Der Bruder unseres Pastors, Josef Neuenhofer aus Bolivien ist nämlich zu Besuch gekommen.

„Ist ja mächtig interessant“, höre ich dich gelangweilt sagen. „Wenn der Sohn oder die Tochter deines katholischen Pastors zu Besuch gekommen wären, das wäre mal `ne Nachricht!“. Aber damit können mein Pastor, sein Bruder Josef Neuenhofer und ich nicht dienen.

Allerdings, der Bruder meines Pastors ist selber katholischer Geistlicher und darüber hinaus Träger des Verdienstkreuzes am Bande. Weshalb? Weil er als katholischer Geistlicher viele, viele Kinder hat.

„Aha, da wird es schon interessanter. Und?“

Nun ja, der Bruder meines Pastors heißt Josef Neuenhofer und wird da, wo er seine Lebensaufgabe gefunden hat, Padre José genannt.

„Spanien?“

Nein, Bolivien. La Paz. Er kümmert sich dort um Straßenkinder. Sie wohnen Sommer wie Winter im „Hotel der tausend Sterne“, also unter freiem Himmel und werden „Desechables“ genannt: Wegwerf-Kinder. Kinder, die niemand will, die von der Öffentlichkeit völlig ignoriert werden. Aus den unterschiedlichsten Gründen werden sie zu Straßenkindern. Weil die Mutter sie nicht ernähren kann oder weil der Vater die Mutter z.B. einfach ermordet hat. Die Frau gilt in der dortigen Macho-Gesellschaft nichts.

Irgendwie müssen diese Kinder aber überleben. Bereits 8-jährige Mädchen werden von Zuhältern ausgenutzt und müssen sich prostituieren. Alkohol, Drogen, Kriminalität gehören zum Alltag dieser Kinder. Überleben um jeden Preis. Keine Zukunftsperspektive. Sie können nicht lesen und nicht schreiben.

Padre José kümmert sich aufopfernd um sie. Er gibt ihnen Zuwendung, Kleidung, Essen, hat Schulen auf Rädern, Psychologen und Ärzte. In einem Land, wo alles korrupt ist, nicht nur der Staat, auch die Kirche, setzt er alles daran, die eigene Organisation korruptionsfrei zu halten.

Während wir im Pfarrheim Schnittchen essen, frage ich Padre José, ob er nicht Repressalien befürchten muss, wenn er gewisse „Angebote“ ablehnt. Ja, bestätigt er, es sei bereits auf ihn geschossen worden und er sei froh, dass er als Geistlicher keine leiblichen Kinder habe. Der Deutsche Botschafter in Bolivien habe ihm vor einiger Zeit bereits Bodyguards zur Seite gestellt. Aber im Augenblick sei die Gefahrensituation nicht mehr ganz so akut, wie noch vor einigen Jahren.

Padre José berichtet immer sehr lebendig, packend von seiner Arbeit mit den Straßenkindern, von seinen Erfolgen und auch von seinen Rückschlägen. Das ein und andere gibt er humorvoll zum Besten. Trotz des ernsten Themas.

Auf meine Initiative hin ist Padre José bereits vor einiger Zeit nach Höchenschwand gereist und hat sich mit dem dortigen Pfarrer Ivan Hoyanic getroffen. Viele Aktionen sind seither in Höchenschwand und Häusern zugunsten der Straßenkinder erfolgt. Ich frage Padre José, ob er bei einem seiner nächsten Deutschland-Aufenthalte auch mal einen seiner Vorträge in St. Michael, Höchenschwand oder im dortigen Pfarrheim halten könne. Ich freue mich schon, wenn ich meiner Kolpingfamilie Höchenschwand-Häusern den Termin mitteilen kann.

Padre José und die von ihm gegründete Organisation „Arco Iris“ sind inzwischen so erfolgreich und bekannt, dass Frank Elstner ihn in seine Sendung „Menschen der Woche“ eingeladen hat. Hier die beiden Teile des Interviews auf YouTube (wirklich sehenswert!):

Frank Elstner und Padre José in „Menschen der Woche“ Teil 1
Frank Elstner und Padre José in „Menschen der Woche“ Teil 2

Mein Pastor packt für sich und seinen Bruder die übriggebliebenen Schnittchen zusammen:  „Unser Frühstück für morgen.“.

Ein besinnlicher Adventsabend klingt aus und ich gehe nachdenklich nach Hause.

Haben wir es hier bei uns in Deutschland nicht gut? Wer will noch angesichts solchen Leids klagen? Und sollten wir, die wir im Überfluss leben, nicht ein klein wenig Freude spenden für die, die nicht auf unserer glücklichen Seite des Lebens stehen?

6 Gedanken zu „Frank Elstner, Josef Neuenhofer und die Strassenkinder“

  1. Wir waren im Mai 2015 in La Paz. Ich kann bestätigen, dass es diese Straßenkinder und sehr viel arme Menschen in La Paz gibt.

    Wir haben Pater José nicht kennengelernt, aber unsere Reiseführerin hat von ihm und seinen guten Taten berichtet.

    Endlich haben wir eine gute Spendenadresse!
    Wir sind überzeugt, dass jeder Cent ankommt. Lt. Reiseführung arbeiten heute auch schon frühere Straßenkinder mit Pater José.
    Die Menschen in Bolivien sind wirklich sehr arm.

    1. Hallo Christine,
      es freut mich, dass du zu meiner Website und zum Bericht über Padre José gefunden hast.
      Noch mehr freut mich, dass ihr euch entschlossen habt, die Arbeit von Padre José spendenmäßig zu unterstützen!
      Ich hatte schon einige Male die Gelegenheit, Padre José zuzuhören, wenn er über seine Arbeit und die Menschen spricht. Es berührt einen immer wieder!
      Liebe Grüße
      Ronald

  2. Hallo Ronald,
    sehr schöner aber trauriger Bericht. Ich weiß, das Vati damals schon sehr viel davon erzählt hat und auch viel für die Straßenkinder gespendet hat. Das wollte ich eigentlich auch jedes Jahr so weiter führen. Habe ich anfangs auch, aber dann ist es wieder in Vergessenheit geraten. Danke für deinen Beitrag, in Zukunft werde ich versuchen, wieder viel bewußter und dankbarer zu leben, wie gut haben wir es doch trotz mancher“ kleiner“ Sorgen. Wenn jeder von uns nur einen kleinen Teil spenden würde, wäre das eine riesengroße Freude für viele armen Wegwerfkinder. Danke Ronald

    Heidi

    1. Hallo Heidi,
      zu dieser Jahreszeit passt ein etwas besinnlicher Bericht besser.
      Wenn ich schon mal bei der Dürener Tafel bin um sie DV-technisch zu unterstützen (mache ich ja auch kostenlos für den “guten Zweck”), dann sehe ich dort auch genug arme Leute, denen man ansieht, dass sie gar nicht in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
      Leid, das man lindern kann, gibt es überall. Die Frage ist, wie die eigenen Möglichkeiten am wirkungsvollsten einzusetzen/zu verteilen sind.
      Als dein Vater und ich Josef Neuenhofer vor etwa zehn Jahren hier in Gey das erste Mal persönlich begegnet sind, waren wir schwer beeindruckt. Ich glaube, dass dein Vater damals begonnen hat, über vieles anders zu denken…
      Liebe Grüße
      Ronald

  3. Hi Ronaldo,

    den Bericht habe ich gerade total gern gelesen. Und den Film habe ich mir auch angeschaut. Es ist beeindruckend, was dieser Mann leistet.
    Und Du hast nur recht: Uns geht es gut!!
    Ich habe bereits einige Bilder von den Desechables erhalten – so ernste und schmutzige Kinder. Ich bin überzeugt, dass meine Spende immer gut angelegt ist. Und Eka und ich müssen deshalb noch nicht einmal auf unser geliebte Gläschen Sekt in der Badezeit auf Sylt verzichten…

    Ganz liebe Grüße von Eurem Lieschen!

    1. Liebes Lieschen!
      Muchissimas Gracias por deinen lieben Kommentar!
      Da ich an der Messe von Padre José bei uns in Gey nicht teilnehmen konnte, weil Eka und ich auf deiner Geburtstagsfete in Köln waren, hatte ich ihm einen Brief geschrieben. Am Sonntag dann, kam ein Anruf und Padre José und sein Bruder luden mich zu dem kleinen Imbiss ein, von dem ich hier berichtet habe.
      Immer gut, wenn man weiß, dass die Spendengelder an der richtigen Adresse ankommen und so verwendet werden, wie man es sich vorstellt.
      Ich erinnere an das Elbe-Hochwasser 2002. Da haben wir noch alle an „XXX karitativ“ gespendet. D.h., Eka und ich damals schon nicht mehr. Wir haben unserem Pastor das Geld mitgegeben, der es persönlich vor Ort mit einer Delegation unserer Gemeinde abgeliefert hat. Und „XXX karitativ“? Da wurde doch später verkündet, dass mehr Gelder als benötigt eingegangen seien und man das „überschüssige“ Geld für andere karitative Zwecke verwenden würde. Wie froh waren wir, dort nicht gespendet zu haben!
      Liebes Lieschen, Eka und ich wünschen dir eine gute, erfolgreiche und angenehme Woche!
      Liebe Grüße Ronald

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