Kapelle mit RhoOphiuchi Molekülwolke

Rho-Ophiuchi-Molekülwolke mit Kapelle

Irgendwo im Internet habe ich die Rho-Ophiuchi- Molekülwolke über einer Baumgruppe gesehen. Man kann von diesem Foto halten, was man will, aber es inspiriert mich zu meiner Bild-Idee: Das sähe bestimmt toll aus, wenn sich die Kottenborner Kapelle zusammen  mit der Rho-Ophiuchi-Molekülwolke darstellen ließe!

Was ich auf keinen Fall möchte, ist ein Fake-Foto von der Rho-Ophiuchi-Molekülwolke mit der Kapelle, eine Fotomontage, die eine Situation darstellt, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Ich will im Foto einen real existierenden Augenblick wiedergeben.

Wie in meinem Bericht „Kottenborner Kapelle – Idyll bei Wershofen“ geschildert, habe ich die Kottenborner Kapelle bereits mit der Milchstraße fotografiert. Da der Stern Antares des Sternbildes Skorpion, den die Rho-Ophiuchi-Molekülwolke quasi umschließt, kurz vor dem Milchstraßenzentrum aufgeht, müsste die Kottenborner Kapelle ein geeigneter Kandidat sein, um sie mit der aufgehenden Antares-Region abzubilden.

Für diejenigen Leser, die sich noch nicht mit dem Sternenhimmel befasst haben: Rho-Ophiuchi ist ein Stern (sogar ein Doppelstern) im Sternbild Schlangenträger (Ophiuchus). Der Schlangenträger befindet sich unmittelbar oberhalb des Sternbildes Skorpion. Die Molekülwolke umschließt also Teile des Sternbildes Schlangenträger und des Sternbildes Skorpion. 

Ich will keine unnatürliche Fotomontage, sondern die Rho-Ophiuchi-Molekülwolke in dem kurzen Augenblick darstellen, in dem sie sich tatsächlich rechts oben neben der Kapelle befindet. Sie ist zwar mit bloßem Auge kaum zu sehen (lediglich ihre Sterne), aber die Kunst ist, die unsichtbare Molekülwolke im Kapellenfoto sichtbar zu machen. Natürlich würde man eine ganz andere Bildqualität der Himmelsregion erhalten, wenn man diese unter optimalen Bedingungen (z.B. in den Alpen, oder noch besser in Namibia) lange belichten und dann die Kapelle „hineinmontieren“ würde. Aber genau das will ich nicht. Ich möchte ein „echtes“ Bild.

Ist das alles wohl machbar? Aufschluss darüber gibt mir meine unverzichtbare Planungs-App „PlanIt!“ für Fotografen: Genialerweise ist die Molekülwolke im Objektkatalog der App enthalten, so dass sich deren Aufgang gut planen und simulieren lässt. Ich brauche einen Standort, von dem aus ich die Kapelle klein genug und die neben der Kapelle aufgehende Molekülwolke groß genug darstellen kann.

Rho-Ophiuchi- Molekülwolke - Planung
Rho-Ophiuchi-Molekülwolke – Planung des Kamera-Standortes
Rho-Ophiuchi- Molekülwolke - Planung im "Virtuellen Sucher"
In der Planungs-App habe ich die Kapelle nur als „Turm“ eingetragen, trotzdem vermittelt das Planungs-Bild bereits einen ersten Eindruck

 

Ja, es ist tatsächlich machbar! Was verwende ich? Eine normale Canon-DSLR (Vollformat) mit einem 100mm-Objektiv (in diesem Fall ein Zoom 70-200mm bei 100mm und abgeblendet auf 4.0) und  als Nachführung den Skywatcher Star Adventurer, sowie eine Heizmanschette gegen Tau-Beschlag am Objektiv und eine Power-Bank für die Stromversorgung. Außerdem ein Stativ und eine kabelgebundene Fernbedienung mit Timer für die Kamera.

Trotz minutiöser Planung brauche ich relativ viele Nächte, um mein Wunschfoto zu erhalten. In der ersten Nacht bin ich zu unkonzentriert, weil ich Kumpel Peter dabei habe, dem ich astrotechnischen Beistand leisten muss. Ich habe die Nachführung zu früh eingeschaltet, die Rho-Ophiuchi-Molekülwolke „klebt“ an der Kapelle.

Die nächste mögliche Aufnahmenacht stellt sich trotz anderer Vorhersagen als zu wolkig heraus. Außerdem stimmt wohl meine Berechnung nicht ganz, denn die Rho-Ophiuchi-Molekülwolke ist zu niedrig im Bild.

Test in wolkiger Nacht. Deutlich ist das störende Licht des nahegelegenen Flugplatzes am Himmel zu erkennen. Die Sterne bilden Strichspuren, da die Nachführung (der Tracker) noch nicht eingeschaltet ist.
Rho-Ophiuchi-Molekülwolke – Test in wolkiger Nacht. Deutlich ist das störende Licht des nahegelegenen Flugplatzes am Himmel zu erkennen. Die Sterne bilden Strichspuren, da die Nachführung (der Tracker) noch nicht eingeschaltet ist.
Hier habe ich die Sterne der Rho-Ophiuchi- Molekülwolke beschriftet
Hier habe ich die Sterne der Rho-Ophiuchi-Molekülwolke beschriftet

Hier noch einmal ein (beschriftetes) Foto aus der Test-Nacht, das wenige Augenblicke später als das obige Foto entstanden ist. Die Sterne sind rund und die Kapelle ist unscharf, denn die Nachführung wurde eingeschaltet.

Test in wolkiger Nacht. Deutlich ist das störende Licht des nahegelegenen Flugplatzes am Himmel zu erkennen
Rho-Ophiuchi-Molekülwolke – Test in wolkiger Nacht. Deutlich ist das störende Licht des nahegelegenen Flugplatzes am Himmel zu erkennen. Die Sterne sind rund, alles andere dagegen unscharf, da die Nachführung (der Tracker) eingeschaltet wurde.
Test in wolkiger Nacht
Rho-Ophiuchi-Molekülwolke – Test in wolkiger Nacht

Eine weitere Aufnahmenacht ist zwar weitestgehend wolkenfrei, aber das Himmels-Objekt ist im Foto noch immer zu niedrig. Es scheint so, als wäre die Positionsangabe zur angegebenen Uhrzeit in PlanIt! nicht ganz exakt (im Gegensatz zur Mondposition in  meinen Mondfoto-Planungen). Zudem habe ich die Kapellendimensionen in PlanIt! nur rudimentär und sehr ungenau eingegeben. Nach einer testweisen Bearbeitung stellt sich auch heraus, dass ich mir durch fehlerhafte Kalibrierungsfotos einen nicht behebbaren Gradienten eingehandelt habe.

Die Rho-Ophiuchi- Molekülwolke ist noch zu niedrig
Die Rho-Ophiuchi-Molekülwolke ist noch zu niedrig. Außerdem kann man ganz rechts im Bild einen unschönen Gradienten sehen, der sich vom Baum aus bogenförmig nach oben erstreckt.
Die Rho-Ophiuchi- Molekülwolke ist noch zu niedrig
Die Rho-Ophiuchi-Molekülwolke ist noch zu niedrig

Also schon wieder eine der seltenen und deshalb wertvollen sternklaren und mondfreien Nächte, in denen ich statt der erhofften schönen Bilder lediglich Erfahrung gesammelt habe.  Dafür kann ich aber morgens den aufgehenden Mond neben der Kapelle fotografieren.

Der aufgehende Mond am Morgen
Der aufgehende Mond am Morgen

Irgendwann wird sich die Gelegenheit ergeben, dass ich mein Wunschfoto doch noch erstellen kann! Und wenn es auch erst im nächsten Jahr sein sollte!

Bei der nächsten Gelegenheit beobachte ich dann vom errechneten Standort aus den Roten Riesen „Antares“ genau, um die Höhe richtig hinzubekommen, bevor ich meine Nachführung und die Serienaufnahme mit der Kamera starte. Dabei mache ich von meinem errechneten Standort aus einige Fotos ohne Nachführung. Denn, ist die Nachführung einmal eingeschaltet, werden die Sterne zwar punktförmig, aber die Kapelle und ihre Umgebung durch die Bewegung der Nachführung natürlich unscharf.

Erst etwa eine viertel Stunde nach dem errechneten Zeitpunkt ist die Konstellation zwischen Kapelle und Rho-Ophiuchi so erreicht, wie ich sie mir für das Bild vorgestellt habe. Um Die Rho-Ophiuchi- Molekülwolke allerdings sichtbar zu machen, brauche ich noch viele Fotos von ihr. Deshalb starte ich geschwind die Nachführung, um punktförmige Sterne zu erhalten und löse die Aufnahmeserie aus: Jeweils 30 Sekunden pro Foto, bei Blende 4.0 und ISO 3200. Von 0:30 Uhr bis 2:40 Uhr.

Die Fotos sind zwar in Ordnung, aber eine weitere sternenklare Nacht ist nötig. Ich habe noch immer nicht genug Belichtungszeit gesammelt, um eine halbwegs vernünftige Qualität des Himmelsobjekts zu erhalten. Das liegt u.a. an der tiefen Position der Region und der Lichtverschmutzung (die man in Namibia nicht hätte). Erschwerend kommt hinzu, dass sich in Aufnahmerichtung ein kleiner Flugplatz mit sehr störendem Flutlicht befindet. Selbstverständlich brauche ich für diese weitere Aufnahmenacht eine korrigierte Aufnahmeposition, um Antares beim Start in weitgehend gleicher Position zur Kapelle zu bekommen, wie beim ersten Foto.

So benötige ich wieder einmal viel mehr Nächte vor Ort, bis der Himmel wolkenfrei ist und sowohl der Aufnahmewinkel zur Kapelle, als auch die Position der Rho-Ophiuchi-Region beim Start des Trackers (der Nachführung) einigermaßen meinen Vorstellungen entsprechen.

Bereut habe ich später, dass ich nicht „gedithert“, also nach jedem Foto oder jedem 4. Foto einen kleinen Versatz in der Nachführung erzeugt habe. Auch hätten sicherlich noch mehr Fotos (mehr Gesamtbelichtungszeit) für eine Qualitätsverbesserung gesorgt.

Ich bin alles andere, als ein Bildbearbeitungs-Guru. Tagelang sitze ich vor dem Rechner und experimentiere. Es ergibt sich ein Problem nach dem anderen. Die Fotos müssen ja kalibriert (Stichwort: Darkframes, Flatframes) und gestackt/gestapelt werden. Verwende ich alle Fotos, so habe ich die „Wischspuren“ der „untergehenden“ Kapelle im Ergebnis. Verwende ich nur die Bilder, wo die Rho-Ophiuchi-Region bereits so hoch über dem Horizont ist, dass nichts mehr von der Kapelle auf den Bildern zu sehen ist, ist die Qualität aufgrund der wenigen Restfotos nicht groß genug. Ich verwende deshalb einen Mix. Ein Teil der übriggebliebenen Artefakte wird später durch die Kapelle und das Buschwerk verdeckt, ein anderer Teil (die Wischspuren des „untergehenden“ Baums) durch die Grasnarbe und entsprechende Bildbearbeitungsmaßnahmen kaschiert. Durch das in der Astrofotografie übliche „Strecken“ des gestackten Bildes werden Einzelheiten der Himmelsregion herausgearbeitet und sichtbar gemacht. Schließlich wird das Endergebnis mit einem der Kapellenfotos „wiederverheiratet“, die unmittelbar vor dem Start der Nachführung aufgenommen wurden. Natürlich müssen die Sternenstriche vor dem Zusammenlegen aus dem Kapellenfoto weggestempelt werden. Schließlich wird das Gesamtergebnis noch leicht beschnitten, um unschöne Ränder zu entfernen.

Kapelle mit RhoOphiuchi Molekülwolke
Kapelle mit Rho-Ophiuchi-Molekülwolke

Das Interessante ist nicht nur die Molekülwolke selber, sondern sind auch die Dunkelwolken, die sich schweifartig von der Molekülwolke aus nach links erstrecken, so dass das ganze Gebilde ein wenig wie der Stern von Bethlehem wirkt. Der untere Dunkelwolken-Schweif erstreckt sich bis zur Milchstraße und deutet bereits das (aufgehende) Milchstraßenzentrum an.

Kapelle mit RhoOphiuchi Molekülwolke
Kapelle mit Rho-Ophiuchi-Molekülwolke

Klar, dass ich stolz wie Oskar über das Ergebnis bin. Denn offensichtlich ist vor mir noch niemand auf die Idee gekommen, ein Objekt wie die Kottenborner Kapelle zusammen mit der Rho-Ophiuchi- Molekülwolke zu fotografieren. Ich bin gespannt darauf, wer meine Idee als Anregung für eigene, ähnliche Fotos nimmt.

Zur Planung selber ist zu sagen, dass ich die Kottenborner Kapelle bereits für meine Milchstraßenfotos als Markierung eingetragen hatte. Auch wenn ich mit den maßstabsgerechten Dimensionen nachlässig war. Die Vorgehensweise habe ich in meinem Tutorial „PlanIt Markierung – Der Szenenstandort“ und „Fundorte notieren – App statt Notizbuch“ beschrieben. Auch meine Abhandlungen „Milchstraßenfotos planen – PlanIt! und andere Werkzeuge“, sowie die gesamte Tutorial-Serie  „Planit Anleitung – PlanIt! für Fotografen“ sind für die Planung hilfreich.

Unter den Ephemeriden-Funktionen wähle ich „Sterne und Sternspuren“ und als Konstellationen/Nebulae „Rho Ophiuchi“. Durch mehrfaches Probieren stelle ich fest, dass vom ermittelten Kamera-Standort aus ein gutes Verhältnis zwischen Kapellen-Größe und Rho-Ophiuchi-Dimension mit einem 100mm-Objektiv erreicht wird.

Kapelle mit Rho-Ophiuchi-Molekülwolke
Kapelle mit Rho-Ophiuchi-Molekülwolke

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