Am 21.11.2022 haben die Entwickler von PixInsight ein neues Tool implementiert: PixInsight SPCC, „Spectrophotometric Color Calibration“. Hört sich spektakulär an und wird auch von den Entwicklern als „revolutionär“ bezeichnet. Hier eine kleine Einführung in das Tool.
Ob PixInsight SPCC wirklich so revolutionär ist, wird sich im Laufe der Zeit noch herausstellen, wenn genug Anwender die Feinheiten des Prozesses aufgespürt haben. Neu ist, dass PixInsight SPCC die Spektraldaten des verwendeten Kamera-Sensors und der verwendeten Filter für die Farbkalibrierung mit einbezieht. Der Abgleich/die Verrechnung erfolgt nun nicht mehr, wie bei der „normalen“ Photometric Color Calibration, mit dem Sternenkatalog „APASS“, sondern mit dem neuen Katalog „Gaia DR3/SP“. Der Prozess PixInsight SPCC verspricht folglich eine detailliertere Analyse und eine genauere Kalibrierung. Näheres im offiziellen PixInsight-Dokument „Spectrophotometric-based Color Calibration in PixInsight“.
PixInsight SPCC steht ab der Version 1.8.9-1 zur Verfügung. Die Voraussetzung zur Nutzung des neuen Tools ist außerdem die lokale Verfügbarkeit der Datenbank „Gaia DR3/SP“.
Gaia DR3/SP downloaden
Die Datenbank „Gaia DR3/SP“ kann von registrierten Anwendern der PixInsight-Vollversion auf der Website von PixInsight „PixInsight — Pleiades Astrophoto“ unter „Downloads“ – „Software Distribution“ heruntergeladen werden. Es gibt eine komplette (complete set) und eine abgespeckte (small set) Version der Gaia DR3/SP-Datenbank. Aus beiden Versionen kann man sich alle, oder nur die benötigten Größenklassen-Bereiche herunterladen.
Sollten die folgenden Abbildungen zu klein sein, kann die Darstellung im Browser mit „Strg +“ vergrößert werden.
Die heruntergeladenen Dateien können an einen beliebigen Ort auf der Festplatte abgespeichert werden. Bei mir ist das im Ordner Dokumente der Ordner „\Astro\Sternen-Kataloge fuer PixInsight usw\Gaia DR3_SP“.
Gaia DR3/SP in PixInsight einbinden
Nun muss PixInsight mitgeteilt werden, wo sich die neue Datenbank befindet. Das geschieht in PixInsight unter „Process“ – „Astrometry“ – „Gaia“. Hier muss unter „Data Release“ der Eintrag „Gaia DR3/SP“ ausgewählt und anschließend auf das Werkzeug-Symbol geklickt werden.
Im neuen Fenster „Gaia Preferences“ führt ein Klick auf die Schaltfläche „Select“ in den Dateiexplorer, wo nun der Ordner mit den heruntergeladenen Gaia-Dateien gesucht und geöffnet werden muss. Sobald man alle Dateien in diesem Ordner markiert und die Schaltfläche „Öffnen“ angeklickt hat, werden die ausgewählten/markierten Dateien übernommen. Sie erscheinen als Liste im Fenster „Gaia Preferences“. Ein Klick auf „OK“ schließt die Auswahl ab. Nun kann auch das Gaia-Fenster geschlossen werden.
Vorbereitung für PixInsight SPCC (Image Solver)
Die Voraussetzung für die folgenden Schritte ist ein Master-Lightframe, also ein fertig gestacktes, kalibriertes, registriertes und integriertes Bild (z.B. ein mit dem PixInsight-Script „WBPP“ generiertes Bild). Im Falle einer Farbkamera (OSC-/One Shot Camera) ist es wichtig, dass gedrizzled wurde. Im WBPP-Script wird dazu die Checkbox im Reiter „Post-Calibration“ unter „Drizzle configuration“ angehakt und als „Scale“-Faktor z.B. 2 (das Ergebnis-Bild bläht sich auf das 4-fache Volumen auf) und bei „Drop shrink“ 0.9 eingetragen. Vorzugsweise sollte das Bild bereits mit dem Prozess „Dynamic Crop“ von unsauberen Rändern befreit und mit „Dynamic Background Extraction“ (DBE) oder „Automatic Background Extraction“ (ABE) weitgehend von Gradienten befreit sein. Außerdem muss das Bild zwingend „gesolved“ sein. Das geschieht mit „Script“ – „Image Analysis“ – „ImageSolver“. Was ein Image- bzw. Plate-Solver macht und wozu man ihn nutzen kann, darüber habe ich hier Berichtet: „Plate Solving – Genialer Astrofotografie-Helfer“.
PixInsight versucht, aus dem Fits-Header des Bildes bereits die notwendigen Daten in den Solver einzutragen. Falls das nicht möglich ist, müssen Aufnahmedatum, Pixelgröße und Brennweite, ggf. zusätzlich die Koordinaten des Aufnahmeortes manuell eingetragen werden. Zudem muss dann auch der „Search-Button“ angeklickt werden, um die Koordinaten des zentralen Objekts im Bild zu ermitteln.
Im erscheinenden Dialog wird die Bezeichnung des Objekts (in diesem Fall „IC 1805“) eingetragen, auf „Search“ geklickt, einen der erscheinenden Einträge ausgewählt und mit „OK“ bestätigt.
Es wird empfohlen, die „Distorsion Correction“ einzuschalten. Vor allem bei der Verwendung kurzbrennweitiger Objektive sollte zudem „Advanced Alignment“ gewählt werden. Das Advanced Alignment dauert etwas länger, ist aber wesentlich genauer.
Sind alle Daten im Solver eingetragen, wird mit „OK“ das Solving für das aktuelle Bild ausgelöst. Ob das Solving erfolgreich war, kann folgendermaßen überprüft werden:
Am unteren Rand des PixInsight-Fensters Klick auf das Symbol für die Readout-Options, „Celestial Coordinates“ und, falls vor „Equatorial“ kein Haken zu sehen ist, „Equatorial“ anklicken. Nun den Mauszeiger in das Bild setzen, linke Maustaste drücken und halten. Jetzt müssen nicht nur die XY-Koordinaten der aktuellen Bildstelle, sondern auch die entsprechenden Himmelskoordinaten (α und δ) zu sehen sein.
PixInsight SPCC
Über „Process“ – „<All Processes>“ – „Spectrophotometric Color Calibration“ gelangt man in den neuen SPCC-Prozess.
Ich werde mich hier auf die wichtigsten Einstellungen beschränken. Viele der Möglichkeiten werden sich der Anwender-Gemeinschaft erst im Laufe der Zeit erschließen.
White reference: Für übliche RGB-/OSC-Bilder sollte hier standardmäßig „Average Spiral Galaxy“ gewählt werden. Dieser Eintrag deckt die meisten Situationen im Bereich DSO ab. Die Wahl bestimmter Sterntypen führt ggf. zu Farbstichen (B- und A-Sterne zu einem Rotstich, K- und M-Sterne zu einem Blaustich). Für Aufnahmen mit (Duo-)Narrowband-Filtern sollte hier „Photon Flux“ gewählt werden.
QE curve: Im Falle einer Farbkamera ist hier „Ideal QE curve“ zu wählen. Bei s/w-Kameras kann der entsprechende Sensor bzw. die entsprechende Kamera ausgewählt werden.
Red, Green und Blue filter: Im Falle einer Farbkamera ist hier die entsprechende Kamera (z.B. „Canon 5D Mark III R“/G/B, oder z.B. bei meiner Omegon veTec 571C „Sony Color Sensor R/G/B-UVIRcut“) und im Fall von s/w-Kameras der entsprechende Filter (z.B. „ZWO R/G/B“) auszuwählen. Ich gehe davon aus, dass im Laufe der Zeit die Liste der verfügbaren Filter stets erweitert wird.
Curve Explorer: Hier können Filter aus der Datenbank ausgewählt und deren Kurven mit denen eigener Filter verglichen werden, die nicht in der Datenbank enthalten sind. So können für nicht in der Datenbank enthaltene Filter solche aus der Datenbank mit ähnlichen Eigenschaften ermittelt werden.
Filter Management: Über die Schaltfläche „Filter Management“ können Filter-Beschreibungen aus der Filter-Datenbank exportiert oder in die Filter-Datenbank importiert werden. Es können auch eigene Filter im CSV-Format definiert werden. Eine Beschreibung findet sich im Abschnitt „6.3.1 CSV Curve Definition Format“ des bereits erwähnten PixInsight-Dokuments „Spectrophotometric-based Color Calibration in PixInsight“.
Narrowband filters mode: Im Falle der Verwendung von (Duo-)Narrowbandfiltern muss diese Checkbox angeklickt werden. Hiermit ändern sich auch die Eingabemöglichkeiten bei „Red, Green und Blue filter“. Dort müssen dann die Wellenlänge und die Bandbreite der verwendeten Filter für jeden Kanal eingegeben werden (SII unter rot, Halpha unter grün und OIII unter blau). Das zu kalibrierende Bild muss natürlich als Farbbild vorliegen (ggfls. die einzelnen Kanäle per „ChannelCombination“ zu einem Farbbild zusammenfügen). Bei Duo-Narrowbandfiltern bzw. HOO-Bildern wird der Halpha-Kanal rot und der OIII-Kanal grün und blau zugeordnet. Für den beliebten Duo-Narrowbandfilter „Optolong L-Extreme“ ist also Folgendes einzutragen:
Optimize for stars: Diese Checkbox, die nur im „Narrowband filters mode“ verfügbar ist, wird ausschließlich dann angehakt, wenn statt der Deep Sky Objekte vornehmlich die Sterne optimiert werden sollen.
Für die restlichen Angaben können die Standardwerte von PixInsight übernommen werden. Wichtig ist, dass im Feld „Catalog“ der neue Katalog „Gaia D3/SP“ gewählt ist.
Background Neutralization – Region of Interest: Dieser Vorgang entspricht der bekannten Vorgehensweise. Es wird eine neutrale, sternfreie Region im Bild gekennzeichnet, die ausschließlich aus Hintergrund besteht. Dazu wird auf das Symbol für eine neue Preview geklickt. Danach das Bild üblicherweise mit „Strg +“ vergrößert und eine entsprechende Region im Bild gesucht. Mit gedrückter linker Maustaste kann dann in dieser Region der Preview-Rahmen gezogen werden. Durch Klick auf die Schaltfläche „From Preview“ öffnet sich ein Auswahlfenster, in dem die gerade erzeugte Preview ausgewählt wird. Die Koordinaten der Preview erscheinen automatisch in den entsprechenden Eingabefeldern nachdem die Preview-Auswahl mit „OK“ bestätigt wurde.
Der letzte Schritt: Nun kann das kleine Dreieck zur Ausführung der PixInsight SPCC auf das Bild gezogen werden. Die Ergebnisanzeige und der SPCC-Dialog können anschließend geschlossen werden. Um das kalibrierte Bild zu betrachten, ist, wie üblich, ein Stretching mit der Screen Transfer Function notwendig.
Hat man erst einmal die Werte für seine Sensoren und Filter gefunden und den PixInsight SPCC-Workflow einmal durchgespielt, ist er anschließend nicht komplizierter oder schwieriger als der bisherige PCC-Workflow.
Abschließend noch der Hinweis auf die von mir erstellte Tabelle „Der beste Zeitpunkt für Astrofotos“ und meine Serie „Sternbild … Objekte für die Astrofotografie“.