Seit ich meine Kirchenmusiker-Ausbildung abgeschlossen habe, ist es mir immer wieder ein Vergnügen, an den Intensivtagen des Kirchenmusiker-C-Kurses des Bistums Aachen teilzunehmen. Mich interessieren dabei hauptsächlich die Themen „Chorleitung“ und „Orgelbau“. Diese Intensivtage des Bistums Aachen finden neuerdings im Kloster Steinfeld in der Eifel statt.
Im Chorleitungsunterricht lerne ich neue Chorstücke kennen und frische meine Kenntnisse auf. Insbesondere meine Mathematik-Kenntnisse. Was man hier erfährt, geht weit über das hinaus, was man in der Schule und einem eventuellen Mathematikstudium gelernt hat:
⁵⁄₄ = 2+3 oder gleich 3+2 !!
Wer die Lösung dieser unbekannten Gleichung weiß, kann sie mir und den eifelpanorama-Lesern gerne in einem Kommentar erklären.
Neben der obigen höheren Chorleitungs-Mathematik war das diesjährige Highlight der Besuch der Firma Orgelbau Weimbs in Hellenthal, nicht weit vom Kloster Steinfeld entfernt. Weimbs hat seinerzeit die berühmte historische König-Orgel im Kloster Steinfeld restauriert. Auch die neue „Max-Reger-Gedächtnis-Orgel“ in Weiden hat Weimbs gebaut.
Der Orgelbau-Meister und Meisterdesigner im Handwerk, Mathieu Hell, hat sich angeboten, für uns die Führung durch den Betrieb am Sonntagabend zu übernehmen. Mathieu hat vor einiger Zeit selbst eine Kirchenmusiker-Ausbildung im Bistum Aachen abgeschlossen. Ich frage Mathieu, ob ich für meine Website fotografieren darf, was er gerne bejaht. Auch die anwesenden Teilnehmer haben auf Nachfrage nichts gegen Fotos für das Internet einzuwenden.
Er begrüßt uns im Besprechungsraum und zeigt uns das Marimbaphon und das Glockenspiel, die für eine Orgel, ich glaube es war für eine japanische, bestimmt sind.
Dann geht es in das Konstruktionsbüro. Hier erfahren wir, dass bei Orgelbau Weimbs die Orgeln computerunterstützt (CAD) entworfen werden.
In der Montagehalle steht das Gerüst einer für Norddeutschland bestimmten Orgel mit den beiden Tastaturen (Manualen), den Aussparungen für die Registerzüge (Manubrien), den Abstrakten (die Züge von den Tasten zu den Ventilen an den Pfeifen) und den Wellen (die die Abstrakten in eine andere Richtung umlenken), sowie dem Schweller, mit dem man die Jalousien des Schwellwerkes öffnen und schließen kann. Auch die Pedaltasten-Stummel, auf die später das eigentliche Fußpedal aufgelegt wird, sind weit unten erkennbar.
Am Orgelrahmen klebt ein künstlich erstelltes Bild, das die fertige Orgel in ihrem endgültigen Umfeld zeigt.
Interessiert lauschen die angehenden Kirchenmusiker den Ausführungen von Mathieu, der nun den Keilbalg, der für die Windversorgung der Orgel zuständig ist, vorstellt.
In der Montagehalle stehen einige Orgel- und Pfeifenmodelle, die zum Spielen einladen.
Auch der Spieltisch der dreimanualigen Kapellen-Orgel des ehemaligen Aachener Gregoriushauses steht hier in der Halle. Diese Orgel, auf der ich so manche Orgelprüfung absolviert habe, wird für einen anderen Standort aufbereitet.
Mathieu erklärt uns, dass immer mehr Orgeln mit einer Stimmhilfe-Vorrichtung ausgestattet werden. Damit braucht der Orgelstimmer beim Stimmen der Pfeifen keine zweite Person mehr, die am Spieltisch die Tasten drückt. Über entsprechende Knöpfe kann er die Töne quasi direkt an der Pfeife selbst auslösen.
In der Schreinerei zeigt uns Mathieu die große Kreissäge, den Flächenhobel und die CNC-Maschine, die die im Computer konstruierten Teile automatisch aufgrund der Rechnerdaten herstellen kann.
Übrigens werden die Holzspäne, die als Abfall in der Schreinerei entstehen, zu Pellets gepresst und als Heizmaterial genutzt.
In der Pfeifenmacherei werden Blei- und Zinnbarren in einem bestimmten Verhältnis geschmolzen und die flüssige Legierung in einen bodenlosen Kasten gegossen. Beim Ziehen dieses Kastens über eine Platte entsteht eine Metallfolie, aus der wiederum der Pfeifenmacher die Pfeifenkörper und die Pfeifenfüße schneidet und lötet.
Über ein Lager, in dem alte Instrumente und Instrumententeile stehen, gelangen wir in den Raum, in dem die Pfeifen gestimmt werden.
In einer Orgel gibt es vornehmlich Labialpfeifen (Lippenpfeifen, bei denen der Ton wie bei einer Flöte erzeugt wird) und Lingualpfeifen (Zungenpfeifen, bei denen der Ton mit einer Metallzunge, wie z.B. bei der Mundharmonika, erzeugt wird). Der Organist muss in der Lage sein, insbesondere die Zungenpfeifen zu stimmen. Mathieu zeigt uns den Aufbau von Zungenpfeifen und wie diese gestimmt werden.
Danach dürfen sich die angehenden Kirchenmusiker selbst im Stimmen von Lingualpfeifen üben.
Schließlich erklärt uns Mathieu noch die Funktionsweise des Balanciers, einem kleinen Hilfsbalgen, der bei großen Orgeln den Kraftaufwand verringert, den der Organist zum Drücken einer Taste benötigt.
Nach gut zwei Stunden ist die tolle und überaus lehrreiche Führung durch den Orgelbau-Betrieb beendet. Zum Abschluss wird noch ein Gruppenfoto gemacht. Danach fahren die Teilnehmer zurück nach Steinfeld.
Ich mache mich auf den Heimweg. Morgen darf ich dann noch einmal nach Steinfeld fahren, um dem Chorleitungsunterricht am letzten Intensivtag in diesem Halbjahr beizuwohnen.
Hallo Ronald,
danke für den schönen Artikel!
Mein Blick zur Musiker -Mathematik spricht ja Bände
Gruß Holle
Liebe Holle,
schön, dass du den telefonisch angekündigten Kommentar doch noch so schnell geschrieben hast!
Für den Fall, dass du deinen Chor-Sängern sagst, sie sollen beim Singen doch bitte fröhlich dreinschauen, werde ich dem Chor empfehlen sofort darauf zu reagieren und dir das Bild unter die Nase halten…
Dein im doppelten Wortsinn „alter“ Schüler
Ronald