Es war kurz nach meinem Kirchenmusiker C-Examen, da traf ich zufällig Matthias Kreuels mit seinem (inzwischen leider verstorbenen) Sohn am Ponttor in Aachen. „Ich komme mal zu Ihnen nach Gey und dann machen wir was zusammen.“. Ich war natürlich happy, dass der „große“ Professor Kreuels, Gründungsrektor der Katholischen Hochschule für Kirchenmusik, Vorsitzender der „Konferenz der Leiter katholischer kirchenmusikalischer Ausbildungsstätten Deutschlands“, katholischer Vertreter (Sekretär) der „Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut“ (AÖL), Ritter des päpstlichen Silvesterordens, Komponist und Herausgeber z.B. des „Freiburger Chorbuch“, des „Chorbuch Trauer“, des „Gitarrenbuch zum Gotteslob“ und und und, mit mir „kleinem“ C-Musiker eine gemeinsame musikalische Veranstaltung durchführen wollte. So entstand eine schöne Freundschaft zwischen uns, und die Chortage wurden in Gey ins Leben gerufen. Zu einem dieser Chortage lud ich meine Orgellehrerin Holle Goertz und ihren Chor aus Kall ein. Nicht zuletzt wegen der größeren Möglichkeiten und der größeren Teilnehmerzahlen wurden die Chortage zu Chorwochenenden und verlagerten sich später nach Kall/Eifel.
Erster Tag
Heute nun, am Samstag, dem 29.10. ist es wieder soweit. Der vierte Chortag steht an. Ich hole Matthias in Aachen ab. Das gehört zum Ritual der Chortage, denn Matthias und ich genießen die gemeinsamen Gespräche während der Fahrt nach Kall, die uns über Gey führt, wo Erika dazu steigt.
In Kall erwartet uns bereits Holle. Holle Goertz ist die sehr engagierte Regionalkantorin der Region Eifel. Außerdem ist sie maßgeblich bei der Ausbildung der C-Musiker des Bistums Aachen beteiligt.
Um 09:30 Uhr beginnt nun der offizielle Teil des Probentages mit einem Stehkaffee zur Einstimmung und zum gegenseitigen Kennenlernen. Da ich Holle schon oft in Kall und Golbach orgelmäßig vertreten habe und auch beim diesjährigen Ausflug der Kirchenmusiker und Sakristane der Region Eifel eingeladen war (ich berichtete), treffe ich viele bekannte Gesichter.
Probenarbeit
Um 10:00 Uhr beginnt nun der erste Probenabschnitt. Matthias hat die Probenunterlagen wieder einmal minutiös auf seine ganz unverkennbare Art vorbereitet. Schnell zieht er die Anwesenden in seinen Bann – und in den Bann der Lieder, die er für dieses Wochenende ausgesucht hat.
Es ist überwiegend neues geistliches Liedgut (NGL), das er mit uns übt. Texte voller Gehalt und wunderschöne, moderne Melodien. Dazwischen aber auch Psalmodien, die wir teilweise sogar mehrstimmig singen, was für Psalmodien recht ungewöhnlich ist.
Matthias lockert das Singen immer wieder mit Anekdoten und tiefergehenden Informationen zu den Liedern auf. Durch seine einerseits humorvolle, andererseits aber auch tiefsinnig bewegende Art, erzeugt Matthias eine ganz besondere Stimmung unter den Teilnehmern.
Besonders zu Herzen geht uns der Kehrvers zum Psalm 77, dessen Text von Huub Oosterhuis stammt und den Matthias Kreuels vertont hat: „Die Stimme habe ich verloren“. Matthias hat es seinem, im vorigen Jahr auf tragische Weise verstorbenen Sohn gewidmet. Es schreit die ganze Not und das „Warum?“ heraus, die er und seine Frau Marita in dieser schweren Situation wohl empfunden haben müssen.
Zeit für das Mittagessen. Es gibt eine leckere Gulasch-Suppe. Matthias, Holle, Erika und ich werden nacheinander noch für eine örtliche Zeitschrift interviewt, dann geht die Probenarbeit weiter. Es ist faszinierend, wie Matthias den großen Chor alleine durch seine Klavierbegleitung lenkt und im Griff hat.
Den Nachmittags-Kaffee haben wieder viele Helfer vorbereitet. Wir lassen uns den leckeren Kuchen und den Kaffee schmecken.
Nach dem Kaffee folgt noch eine dritte Übeeinheit, bevor wir hinüber in die Kirche St. Nikolaus gehen und einige der geübten Stücke im Rahmen des Abendgebetes singen.
Wir freuen uns nun alle auf den nächsten Tag.
Zweiter Tag
Um 08:15 Uhr hole ich Matthias Kreuels in Aachen und Erika gegen 08:45 Uhr in Gey ab.
In Kall angekommen, bauen wir zusammen mit Holle in St. Nikolaus die Zusatzlautsprecher für das Keyboard auf. Nach und nach treffen die Teilnehmer des Chorwochenendes ein und Matthias geht mit uns noch einmal kurz den Ablauf und die Stücke durch.
Die Messe
Zum Einzug singen wir als Rahmenvers „Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn“, einen Kanon nach Psalm 124,8, der im Diözesanteil Aachen des Gotteslobes unter der Nr. 722 zu finden ist und dessen Melodie von Matthias Kreuels komponiert wurde. Nachdem wir den Kanon immer leiser ausklingen lassen, folgt das schöne Lied Nr. 806 „Wenn Glaube bei uns einzieht“.
Zum Kyrie singen wir den Kanon unter GL 718 und zum Gloria die Nummer GL 169.
Nach der ersten Lesung (Weish. 11,22-12,2) antworten wir mit dem Kehrvers Nr. GL 831 „Von den Taten deiner Huld“ nach Psalm 89,2 und der Melodie von Barbara Kolberg. Barbara Kolberg war jahrelang Domorganistin in Freiburg. Ich durfte sie und ihre wunderschön improvisierten Verse über GL 423 „Wer unterm Schutz des Höchsten steht“ an der Orgel der Neusser Pfarrkirche St. Pius X. anlässlich der Bestattung von Matthias Kreuels jun. im vorigen Jahr erleben.
Den Antwortpsalm 145 singen wir im Wechsel (Frauen-/Männerstimmen ) mit der Formel aus GL 177,2 mehrstimmig(!).
Nach der zweiten Lesung (2. Thess. 1,11-2,2) folgt der Ruf vor dem Evangelium, beginnend mit dem Halleluja aus GL 174,6, das wir im Chor, dann mit der Gemeinde, dann im Kanon singen. Danach stimmt unser C-Schüler Dominik wunderschön das Halleluja als Solo an, worauf wieder alle gemeinsam antworten.
Schließlich folgt der Kanon aus GL 298 „So sehr hat Gott die Welt geliebt…“.
Nach dem Evangelium (Lk. 19, 1-10) folgt noch einmal das Halleluja (GL 174,6), erst vom Chor, dann von der Gemeinde.
Der Pfarrer von Kall, Domkapitular Hans-Joachim Hellwig, geht in seiner Predigt auf das Evangelium des 31. Sonntags des Lesejahres C ein und schildert das Geschehen um den Zöllner Zachäus einmal aus dessen Sicht und versucht zu ergründen, was Zachäus wohl gedacht hat. Eine Ansprache, die sowohl für die vielen anwesenden Kinder, als auch für die große Gemeinde der Erwachsenen verständlich ist und die damaligen Vorkommnisse aus einem ganz anderen Blickwinkel beleuchtet.
Zum Credo singen wir den Kehrvers GL 177,1 und das Glaubensbekenntnis mit der Formel unter GL 177,2 (erneut mehrstimmig).
Die Fürbitten werden teils gesungen, teils gesprochen. Nach jedem Kehrvers aus GL 799 „Da wohnt ein Sehnen“ folgt eine gesprochene Fürbitte, die um den jeweiligen Vers des Liedes 799 (Um Frieden, um Freiheit/Um Einsicht, Barmherzigkeit/Um Heilung, um Ganzsein usw.) singend ergänzt wird. Für mich eines der anrührendsten, aktuellsten Gesänge in diesem Gottesdienst…
Danach folgt GL 399 „Gott loben in der Stille“, das gewissermaßen als Fortsetzung der Fürbitten und Vorbereitung der Gabenbereitung gesehen werden muss.
Zum Sanctus ertönt GL 192, ein „Heilig“ von Thomas Gabriel, das dem „Heilig“ aus der Deutschen Messe von Schubert ähnelt und auch in der gleichen Tornart (Es-Dur) steht. Als Kanon von Gemeinde und Chor gesungen, erschallt dieser mächtige Gesang, den man heute wirklich als ein „Einstimmen in den Lobpreis der himmlischen Chöre“ bezeichnen kann.
Nach der Wandlung ergänzen wir das „Geheimnis des Glaubens“ (mysterium fidei) mit GL 734 „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir“ und zum Agnus Dei und während der Kommunion singen wir mehrstimmig, immer wieder wiederholend GL 212 „Kostet und seht“. Zum Agnus Dei stimmen außerdem einige Sopranistinnen gleichzeitig über den gesummten Schlussakkord von GL 212 das Agnus Dei aus GL 107 an.
Vor dem Segen singen wir mit wechselnden Teilen der Gemeinde und des Chores GL 452 „Der Herr wird dich mit seiner Güte segnen“ und zum Ausklang, gewissermaßen bereits als Hinweis auf das Allerheiligen-Fest in zwei Tagen GL 552 „Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt“ nach der Melodie von Ralph Vaughan Williams zu „For all the saints“ (siehe auch GL 548).
Weder Pfarrer noch Gemeinde können ihre Bewegtheit in diesem Gottesdienst verbergen. Welche Schätze schlummern doch in unserem schönen Liedgut! Sie müssen nur gehoben werden. Und das versteht Matthias Kreuels auf das Vortrefflichste!
Schlussapplaus und Ausklang
Umso herzlicher wird das Engagement von Matthias von der Gemeinde und dem Chor durch anhaltenden Applaus gewürdigt! Es dürfte wohl niemanden geben, der nicht glücklich aus dieser Messe heimwärts fährt. Und kein Teilnehmer des Chorwochenendes hat wohl bereut, dabei gewesen zu sein!
Pfarrer Hellwig lädt Matthias Kreuels, Holle Goertz, Erika und mich noch zu einem Mittagessen nach Gemünd ein, bevor ich Matthias wieder zurück nach Aachen fahre.
Die in den letzten zwei Tagen gesungenen Lieder werden uns noch lange als „Ohrwürmer“ begleiten.
In ca. 1 ½ Jahren haben wir das nächste Chorwochenende anvisiert und freuen uns alle jetzt schon riesig darauf!
Hier findest du ein Interwiew des SWR 1 mit Professor Matthias Kreuels: „Dr. Thomas Weißer trifft Prof. Matthias Kreuels“ und einen Bericht zur Verleihung des päpstlichen Silvesterordens.
Natürlich gibt es noch mehr Bilder vom diesjährigen Chorwochenende. Wenn du alle Bilder betrachtest, könnte der Eindruck entstehen, dass mehr gegessen als gesungen wurde. Der Eindruck täuscht! Du findest die Bilder hier: Bildergalerie vom Chorwochenede 2016 in Kall
Als Teilnehmerin des Chortages möchte auch ich erwähnen, wie gut mir Ihr Bericht gefallen hat. Sehr treffende Worte gewählt, wobei auch für mich das Lied „Da wohnt ein Sehnen“ das Highlight der Lieder war. Es klang mir, verbunden in angenehmer Erinnerung, noch lange Zeit im Ohr. Überhaupt war diese Aktion für mich mal wieder „Balsam für die Seele“.
Uschi Schnichels
Liebe Frau Schnichels,
vielen Dank für Ihren Kommentar!
Ja, die Chortage mit MAtthias sind wahrhaftig Balsam für die Seele. Und kaum jemand versteht es so perfekt, Gottesdienste zu gestalten.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Adventszeit und ein besinnliches Weihnachtsfest!
Herzliche Grüße
Ronald Wasserrab
Lieber Ronald,
auch ich danke dir für deinen tollen Einsatz und die unermüdliche Berichterstattung. Seit vielen Jahren bist du ein treuer Begleiter des Chortages in Kall.
Auf bald,
Gruß aus Kall, Stefan
Lieber Stefan,
vielen Dank für deinen Kommentar!
Auch du zeigst ja immer wieder Einsatz, der nicht gerade „von Pappe“ ist – oder ist er doch…?
Liebe Grüße
Ronald
Lieber Ronald,
danke für den schönen Bericht!
Liebe Grüße aus Kall,
Holle
Liebe Holle,
war ja auch ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße
Ronald