Triberg ist unter Natur-Fotografen weniger für seine Wasserfälle, als vielmehr für seine Tannenhäher bekannt. Wohl nirgends kommt man in freier Natur näher an den scheuen Vogel heran. Klar, dass ich dem seltenen Rabenvogel meine Aufwartung machen muss. Es werden die teuersten Fotos meines bisherigen fotografischen Daseins.
Aber von vorne: Als ich von den Tannenhähern in Triberg erfahre, mache ich mich von Höchenschwand aus auf den Weg zu den Wasserfällen. Es ist Mitte Dezember 2018. Leider sind nur die unteren Zugänge geöffnet. Der obere Bereich der Wasserfälle wird ab Anfang November gesperrt. Ich bezahle meinen wegen der Konus-Karte um 50 Cent ermäßigten Eintritt. Vom Tannenhäher keine Spur, denn der hält sich im jetzt unzugänglichen oberen Bereich auf.
Im September/Oktober 2019 will ich mich mit einem meiner Foto-Freunde auf dessen Anregung hin zu einem Häher-Shooting in Triberg treffen. Da ein Zusammentreffen mit ihm aber leider nicht klappt, plane ich einen Alleingang von Höchenschwand aus. Allerdings erhalte ich unerwartet Verstärkung durch einen anderen Foto-Kumpel aus der Nähe von Aachen. Mit Karl-Heinz und gefühlten 50 Zentnern Erdnüsse fahre ich also eines Morgens im September nach Triberg. Da wir bereits um 8:20 Uhr vor Ort sind, müssen wir zwar Parkgebühren, aber keinen Eintritt bezahlen. Die Damen von der Kasse haben ihre Häuschen noch nicht geöffnet. Sie stehen vor dem Kassenhäuschen mit dem bezeichnenden Namen „Scheffelstein“ und unterhalten sich. Wir erkundigen uns nach den Tannenhähern und erfahren, dass sich diese zwischen diesem und dem obersten Kassenhäuschen aufhalten. Wir bauen unser Equipment am obersten Kassenhäuschen auf und unterhalten uns mit der überaus freundlichen Kassiererin.
Die von uns ausgelegten Erdnüsse werden gerne angenommen: von Eichhörnchen und Eichelhähern, die schier unersättlich sind. Vom Tannenhäher keine Spur.
Einige Tage später, Karl-Heinz ist bereits wieder auf dem Heimweg, fahre ich erneut nach Triberg. Diesmal treffe ich am Sonntagnachmittag gegen 17:00 Uhr am Wasserfall ein und wühle mich durch das Gedränge nach oben, wo ich wieder meine Kamera aufbaue und Erdnüsse auslege. Gewisse respektlose Leute, die sich heute hier aufhalten, lösen in mir ziemliches Unbehagen aus. Während die französischen, englischen und deutschen Touristen meine Hinweise respektieren und die von mir ausgelegten „Köder“ in Ruhe lassen, nehmen sich die zuvor genannten Personen meine ausgelegten Erdnüsse und essen sie herausfordernd auf. Ich habe keine Lust, mich mit diesen Leuten anzulegen und darüber hinaus möchte ich auch nicht als Nazi beschimpft werden oder vielleicht sogar wegen ein paar Nüssen ein Messer im Bauch haben…
Als die benannten „Herrschaften“ außer Sichtweite sind, entdecke ich weiter unten tatsächlich endlich den Tannenhäher. Die nette Kassiererin vom Kassenhäuschen „Kenzele“, die gerade Feierabend macht, begleite ich ein Stück des Wegs bis zum entdeckten Tannenhäher. Dort baue ich mein Stativ mit der Kamera auf, teste die Standfestigkeit und lege einige Erdnüsse aus und kann nun tatsächlich den ersehnten Vogel ablichten. Alles muss sehr schnell gehen. Denn kaum lege ich eine Erdnuss auf den Felsbrocken, ist der Tannenhäher bereits da und holt sie sich. Da muss ich die fünf Meter zurück zur Kamera schon zügig zurücklegen.
Beim vierten Mal passiert es. Gerade, als ich die Erdnuss auf den Felsbrocken lege, höre ich hinter mir einen Knall: Das Dreibein-Stativ (engl.: Tripod) mit der teuren Ausrüstung hat den Halt verloren und ist auf den asphaltierten Weg gestürzt. Das Kameragehäuse ist zerbrochen, der Auslöser lässt sich nicht mehr betätigen, das 600er fokussiert nicht mehr richtig und der Fokusring blockiert. Horror!
Meine für den heutigen klaren Abend geplanten Milchstraßen-Fotos kann ich jetzt auch knicken. Frustriert fahre ich zurück nach Höchenschwand. Das Unglück hatte bereits morgens begonnen, denn über Nacht hatte sich mein Sehvermögen merklich verschlechtert und beim Abnehmen der Brille sehe ich eine gute halbe Minute lang Doppelbilder. Meine Frau ruft meinen Augenarzt an und macht einen Kontrolltermin, sobald wir aus Höchenschwand zurückkehren.
Drei Tage später wird es wieder Zeit, meine Brillengläser zu waschen. Vom Seifenspender lasse ich ein Portiönchen auf das linke Brillenglas tropfen und wundere mich, dass die Seife durch das Glas hindurch fällt: Das linke Glas war wohl schon einige Tage nicht mehr Bestandteil meiner Brille. Einen weiteren Tag brauche ich, bis ich das Glas endlich irgendwo zwischen meinen Fotosachen finde. Fielmann in Waldshut setzt mir das Glas wieder ein. Und siehe da: Keine Doppelbilder mehr! Dass mir nach der Brillenreparatur auch noch vom Gestell der linke Nasenpad abbricht, sei nur am Rande erwähnt. Inzwischen habe ich allerdings den Augenarzttermin in der Heimat hinter mir und eine nagelneue Brille.
Ende September/Anfang Oktober sind noch mehrere Versuche angesagt, vernünftige Bilder in der doch sehr dunklen Triberger Schlucht zu bekommen. Mit meiner kleineren Zweitkamera, einem Weitwinkelobjektiv und einem lichtstarken 70-200 mm-Objektiv ziehe ich in die Häher-Schlacht und erreiche sogar, dass der Tannenhäher mir die Erdnüsse aus der ausgestreckten Hand nimmt! Ruckzuck sind die Erdnussvorräte, die ich in meiner Hosentasche habe, aufgebraucht und ich muss am Kassenhäuschen einen Beutel nachkaufen.
Als ich neben dem oberen Kassenhäuschen einen Objektivwechsel durchführen will und mich dazu hinhocke, kracht es fürchterlich: Von meiner neuen „original“ Miltec-Bundeswehrhose ist der komplette Reißverschluss vorne und die gesamte Naht bis zum Rücken aufgeplatzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Tannenhäher heimlich die Hosennaht aufgetrennt hat, um an meine Nüsse zu kommen… Nur die entsprechend dimensionierte Unterhose und der wirklich originale BW-Parka verhindern, dass die umherstehenden Wasserfallbesucher kostenlos tiefere Einblicke in mein Hoseninneres nehmen können. Da kaufe ich demnächst doch lieber wieder erprobte gebrauchte echte Bundeswehr-Hosen, die jahrelang halten.
Nach meiner Rückkehr aus einem sehr ereignisreichen Höchenschwand-Urlaub (Strohskulpturen-Wettbewerb, Bürgermeister-Wahl und Wahlparty, viele schöne Nachmittage und Abende mit unseren zahlreichen Höchenschwander Freunden, Michaeli-Fest, erfolgreicher Knie-Kranken-Gymnastik meiner Frau im Sonnenhof usw.) fahre ich unverzüglich zu Canon nach Willich und gebe die Ausrüstung zur Reparatur. Glücklicherweise lässt sie sich wieder in Ordnung bringen. 4.388,35 Euro und fast 5 Wochen Reparaturzeit kostet mich der Spass. Die „original“ BW-Hose von Miltec ist allerdings nicht mehr zu retten und landete bereits am selben Tag noch in Höchenschwand im Müll.
Was bringe ich nicht alles für Opfer, um meine eifelpanorama-Leser mit Berichten und Fotos zu erfreuen…
Lieber Ronald,
zauberhafte Bilder sind dir von dem scheuen aber verfressenen Vogel gelungen!! Der Hintergrund ist wunderbar aufgelöst und das Licht tut sein übriges dazu.
Deine haarsträubende Geschichte von den scheuen und unersättlichen Models vor Ort hat mich heute sehr amüsiert. Dein Malheur mit der Kamera tut mir sehr leid und ist wirklich ärgerlich. Nicht zu vergessen die Hose!! ;-D
Shit happens! Ich freue mich, dass du weiter schreibst und fotografierst. Deine Geschichten machen mir große Freude zu lesen.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
vielen Dank für Deinen Kommentar!
Ja, ich schreibe und fotografiere immer weiter. Bald erscheint auch die Geschichte von „unseren“ Sumpfohreulen.
Liebe Grüße
Ronald
Lieber Herr Wasserrab, mit großem Vergnügen habe ich ihren Bericht gelesen und mich an den tollen Fotos vom Tannenhäher erfreut. Da bin ich echt etwas neidich,- bei diesen Starfotos, zu denen man nur beglückwünschen kann. Ich habe Ihren Bericht zufällig gefunden,da ich selber eine reine Invasion – na, sagen wir ca.6-7 Exemplare im Garten habe, wo sie den Futterbaum unsicher machen und sich kleine Kämpfe liefern. Hab natürlich auch versucht zu fotografieren einiges ist ganz gelungen, natürlich kein Vergleich mit Ihren Profifotos. Jetzt eine Frage, mir scheint ,dass die Tannenhäher hier in Aachen eher sibierische Tannenhäher sind, sie haben, glaube ich einen etwas feineren Schnabel. Es gibt ja alle paar Jahre solche Invasionen, vielleicht auch in diesem Jahr. Könnte das sein und haben Sie als Tannenhäherfan auch an anderen Orten von ihnen gehört ? R. HELD-KUPCZYK internetadresse xxxxxxxxxxxxx (Anm.: Die E-Mail-Adresse wurde vom Betreiber der Website unkenntlich gemacht) Herzliche Grüße aus Aachen !
Liebe Frau Held-Kupczyk,
vielen Dank für Ihren Kommentar!
Ich habe gerade mal auf ornitho.de recherchiert. Vom September an bis jetzt ist kein sibirischer Tannenhäher in Deutschland gemeldet worden. Im September/Oktober sind in Simmerath und Monschau insgesamt 3 Tannenhäher gemeldet worden. Wenn es sich bei Ihren Invasoren um sibirische Exemplare handeln würde wäre das m.E. eine kleine Sensation – und das in Ihrem Garten!
Das wäre auch bestimmt für die Biologische Station im Kreis Aachen interessant.
Ich werde auch einmal bei einer Bekannten nachhören, die in der Biologischen Station Düren arbeitet.
Ich melde mich auch noch per E-Mail bei Ihnen. Ihre E-Mail-Adresse habe ich übrigens unkenntlich gemacht, damit Sie nicht mit Spams zugemüllt werden.
Herzliche Grüße
Ronald Wasserrab
Hallo lieber Schwager, es tut mir echt leid was dort so alles passiert ist. Aber weißt du, ich habe lange nicht mehr so gelacht. Du hast das zwar erzählt, aber deine Beschreibung ist viel viel schöner. Die Fotos haben sich doch auch gelohnt.
LG Heidi
Hallo lieber Ronald!
Das war ja ein aufregender(und leider teurer)Foto-Trip zum Tannenhäher. Der war mir als Model noch nicht vergönnt.
Bilder und Bericht sind aber wieder sehr schön und unterhaltsam.
Viele Grüße und alles,alles Gute für dich
René
Hallo René,
vielen lieben Dank für Deinen Kommentar und die guten Wünsche!
Seit Freitag habe ich mein repariertes Equipment glücklicherweise wieder zurück und kann auf die Jagd nach neuen Models gehen.
Wenn Du mal wieder bei Rosi logieren solltest (September/Oktober), dann gib mir Bescheid. Ich würde gerne noch einmal zum Tannenhäher und bessere Bilder vom „Aus-der-Hand-fressen“ machen.
Liebe Grüße in den äußersten Norden unserer Republik
Ronald
Hallo Ronald,
auch wenn die Nebenkosten für diese schönen Bilder von Tannenhäher, Eichhörnchen und Wasserfall reichlich teuer waren, so hat sich das Ergebnis in jedem Fall gelohnt.
Liebe Grüße, Norbert
Hallo Norbert,
vielen Dank für Deinen Kommentar!
Freut mich, dass Dir die Bilder gefallen.
Die Waldohreulen habe ich übrigens gefunden. Vielen Dank! Allerdings wurden sie von zwei Friedhofsbesuchern verscheucht. Ich konnte sie deshalb nicht fotografieren. Morgen werde ich noch einmal einen Versuch starten.
Liebe Grüße
Ronald
Nachtrag :
Die Fotos vom Tannenhäher ohne Erdnuss ( Ortsfremd ) sind dann eindeutig die besseren und identischeren ..
das dürfte ja klar sein …
Wie heißt es im Volksmund : Mit Speck fängt man Mäuse….
Grüss dich Ronald …
schon mit nem leichten schmunzeln hab ich deine Ausführung gelesen …
Das mit dem Kamera -Unfall tut mir leid kann auch deinen Unmut verstehen … aber von ner Kamera Versicherung hast du bestimmt schon mal gehört ( bei dem Schaden hätte sie sich schon bezahlt gemacht )
Die besondere art von nichtfotografen kenne ich auch …. leider gibts halt solche und jene …
Beim Korrekturlesen hat deine Liebe jetzt aber nen richtigen Eingriff …
Defekte Militaria Hosenbeine stülpe ich bisweilen über meine doch recht lange Telebrennweiten iss billiger als die angebotenen Neopren -geschichten und wasserabweisender
Die Bilder , um es nicht zu vergessen sind wieder bestens .
freu mich, wenn wir uns mal wiedersehen gr heinz
Hallo Heinz,
vielen Dank für Deinen Kommentar!
Freut mich, dass der Bericht und die Fotos Dir gefallen!
Ja, eine Versicherung für die Kamera (nicht für die Hose) hätte sich bezahlt gemacht…
Ich denke, bei irgend einem komischen Vogel werden wir uns bestimmt wiedersehen. Wie in diesem Jahr beim Uhu.
Liebe Grüße
Ronald
Mein lieber, seit 44 Jahren angetrauter Ehemann!
Bisher habe ich noch nie einen Kommentar geschrieben … Aber als ich heute Deinen Bericht gelesen habe, habe ich, obwohl ich ihn ja schon kannte, noch einmal hellauf gelacht. Du hast die Situationen wieder einmal „auf den Punkt“ gebracht und ich habe in Höchenschwand mit Dir gelitten, als Du Deine geliebte Kamera „geschrottet hast“ und dann auch plötzlich extrem schlecht sehen konntest. Aber es gibt Schlimmeres und „aus Schaden wird man klug“. Materielle Werte sind meistens zu beheben. Erhalte Dir Deine Freude an Deinem schönen Hobby.
Deine M.M.
Liebe M.M.,
ein Kommentar von der Ehefrau. Wie schön! Interne Kommentare von Dir bin ich ja gewohnt :-), aber dieser ist mal öffentlich…
Da muss ich mich revanchieren und mich auch öffentlich für Dein unermüdliches Korrekturlesen bedanken. Wenn textlich „die Pferde mit mir durchgehen“, dann bist Du mein Korrektiv. Bei fehlern Inn der rechts-schreibung, unt der zaichensetzung sowieso.
L.G. R.W.
Wer korrigiert denn jetzt bloß meine Antwort auf den Kommentar?
Eine unglaubliche Geschichte und noch besser, auch als fotografierte Geschichte eine Augenweide.
Herzliche Grüße aus dem Renchtal. (im mittleren Schwarzwald)
Hallo Bernhard,
vielen Dank für Deinen Kommentar!
Ja, ein teurer Spaß. Gestern erhielt ich die Nachricht, dass meine Ausrüstung endlich repariert ist. Ich bin gespannt, denn jetzt fahre ich nach Willich zu Canon um das Geld loszuwerden und die Ausrüstung abzuholen.
Viele Grüße aus der Nordeifel in das Renchtal
Ronald