Als ich mich im Frühjahr von René verabschiedete (siehe: „Potemkinsche Vögel? Gross-Attrappen? Grosstrappen?“, „Sielmann und die Rote Armee – In der Döberitzer Heide“ und „Känguru oder Vogel? – Die Beutelmeise und die Linumer Teiche“), sagte er zu mir: „Wenn Du zu uns in den Norden kommst, zeige ich Dir ein paar lohnenswerte Vogel-Gebiete. In der zweiten Oktober-Woche betreue ich die NABU-Naturstation Bottsand“. Wenn Du dann in Laboe logierst, wäre das ideal.
Gesagt, getan. Es ist Rekord-Wetter für den Oktober angesagt, und ich buche ein Hotel unmittelbar am Strand, nur wenige Meter vom Marine-Denkmal und der U-995 entfernt.

Eigentlich will ich bereits am Sonntagmorgen ganz zeitig Richtung Norden fahren, da kommt ein Anruf von Padre José (siehe: „Frank Elstner, Padre José (Josef Neuenhofer) und die Strassenkinder von La Paz“ und „Borussia Mönchengladbach, Höchenschwand und die Strassenkinder von La Paz: Ein Wochenende mit Padre José“): „Hallo Ronald, hier ist Josef. Ich bin gerade in Gey angekommen. Sehen wir uns morgen in der Erntedankmesse in Raffelsbrand?“. Das schmeißt meine Pläne etwas durcheinander, aber Josef möchte ich natürlich unbedingt begrüßen. Also verschiebe ich gerne meine Abreise um einige Stunden, zumal am dritten Adventwochenende ein gemeinsamer Sonntag mit ihm in Häusern und Höchenschwand geplant ist.


Abends in Laboe eingetroffen, vertilge ich im Restaurant meines Hotels voller Genuss eine herrliche Fischplatte mit vier verschiedenen, in Eihülle gebratenen Filets und Butterkartoffeln.


Am nächsten Morgen treffe ich mich dann mit René an der NABU-Naturstation Bottsand. Wir kommen gleichzeitig an der Station an, und ich helfe ihm, sich in der kleinen Wohnung der Station häuslich einzurichten. Dann öffnen wir die Ausstellungsräume der NABU-Naturstation Bottsand.


Das Naturschutzgebiet Bottsand gehört u.a. zu den bedeutendsten und zugleich letzten Brutgebieten der selten gewordenen Zwergseeschwalbe in Deutschland.
Uwe, ein weiterer ehrenamtlicher Mitarbeiter der Station, kommt hinzu und erklärt sich bereit, die Station für einige Stunden zu übernehmen. René kann nun bis 13:00 Uhr mit mir auf Entdeckung gehen.




Am Strand tummeln sich Silbermöwen und Alpenstrandläufer. Auch einem Kiebitzregenpfeifer begegnen wir im Schlichtkleid. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Kiebitzregenpfeifer ist im Schlichtkleid. Ich dagegen bin voll aufgerödelt: Bundeswehr-Tarnhose, Parka, Sonnenschutz-Safari-Hut. Sieht Sch… aus, hat aber den Vorteil, dass ich mich mit den Klamotten in den Dreck schmeißen kann und Kopf, Nacken und Ohren vor der sengenden Sonne und vor dem Wind geschützt sind.










Im flachen Wasser sucht ein Großer Brachvogel nach schmackhaften Leckerbissen, während draußen auf der Ostsee einige Segelschiffe durch die Kieler Förde segeln. Wir gehen bis zur großen Schleuse. René entdeckt zwischen den Gesteinsbrocken der Schleusenböschung einen Meerstrandläufer, der eifrig Futter suchend, flink auf den Gesteinsbrocken hin- und herläuft.
Pünktlich um 13:00 Uhr sind wir wieder an der NABU-Naturstation Bottsand, um Uwe abzulösen. Ich gehe erneut auf Erkundungstour. Diesmal alleine. Dabei konzentriere ich mich auf die Alpenstrandläufer, die ich sehr nahe und aus ganz niedriger Position (im Dreck liegend) ablichten kann. Das braucht etwas Geduld, die sich aber wegen der außergewöhnlich schönen Perspektive absolut lohnt.


















Am späten Nachmittag gehen René und ich noch einmal zusammen den Strand ab. Eine Silbermöwe mit einer Strandkrabbe im Schnabel fliegt auf und landet ein Stück weiter, um sie mit Haut und Haar zu verschlingen.







Am Ende dieses Fototages fliegen noch eine Brandseeschwalbe, ein Bussard und ein Sperber an uns vorbei.



Abends bestelle ich mir im Hotel den Matjes-Teller – lecker!
Am nächsten Morgen fahre ich schon sehr zeitig Richtung Nordsee. Am Odinsloch bei Meldorf ist das höchst seltene Thorshühnchen gemeldet. Es darf nicht verwechselt werden mit dem Torso-Hühnchen, das man häufig in gegrillter Form beim Gaumenschmaus und anderen Hähnchen-Bratereien findet.







Tatsächlich finde ich das Thorshühnchen und kann es aus dem Auto heraus ablichten. Ich hätte es wahrscheinlich aus viel kürzerer Distanz erwischt. Es wollte nämlich vorsichtig näher kommen, aber einige Hobby-Ornithologen verlassen ihre Fahrzeuge, was das Tier leider sofort zum Rückzug zwingt. Es sind also nicht immer die „bösen“ Fotografen, die die Tiere angeblich beunruhigen. Gerade wir brauchen für unsere Fotos die Nähe, weil unsere Objektive lange nicht so weit reichen, wie die Spektive der „Ornis“ und können uns das Beunruhigen der Tiere überhaupt nicht leisten.




Ich fahre noch kurz zu René an die Station, um ihm von meinem Erfolg zu berichten. Er hat am Morgen aus nächster Nähe Gold-, Kiebitzregenpfeifer und Pfuhlschnepfen fotografieren können.
Mein Abschlussfoto des Tages gilt einem Braunkehlchen, das sich in der Nähe der Station auf einem Zaun präsentiert.



Mit René esse ich heute im Hotel zu Abend. Diesmal entscheide ich mich für den leckeren, aber üblicherweise nicht so ansehnlichen Labskaus.


Heute, am Mittwoch, kann ich wieder etwas länger schlafen. Trotzdem ist es noch dunkel, als ich aufstehe und gegen 7:30 Uhr zum Frühstück gehe. Kurz vor dem Frühstück sehe ich die Oslo-Fähre „ColorLine“ einfahren. Am Nachmittag um 14:00 Uhr wird sie wieder Richtung Oslo in Kiel abfahren. Auch die StenaLine, die von Kiel nach Göteborg fährt, kann ich gegen 8:00 Uhr beobachten und fotografieren.

René erklärt mir, dass sich Mini-Kreuzfahrten mit den beiden Fähren durchaus lohnen und auch recht preisgünstig zu haben sind.


Mich interessieren aber vor allem die Watvögel (Limikolen). Leider ist der Wasserspiegel heute gestiegen, so dass die Schlickflächen kaum noch frei sind. Trotzdem erwische ich die jungen Pfuhlschnepfen am Strand, die Gold- und Kiebitzregenpfeifer aber leider nicht. Die Pfuhlschnepfen nehmen mich total in Beschlag. Ich sitze auf meinem Schemelchen und rücke mit diesem und dem Stativ vorsichtig stückchenweise immer näher an die Wasserlinie. Auch die Pfuhlschnepfen geben ihr Misstrauen langsam auf, beäugen mich und nähern sich mir immer mehr.








Am Nachmittag mache ich eine Erkundungstour durch Laboe. Ich gehe vom Hotel aus die Strandstraße Richtung Hafen. Endlich komme ich zu meinem lang ersehnten Matjes-Brötchen. Es bleibt nicht bei dem einen Brötchen…






Abends im Hotel rücke ich von meinem Grundsatz, an der See nur Fisch zu essen, ab und bestelle mir das Holsteiner Rübenmus mit Kochwurst, Kasseler und Bauchfleisch. Ich bereue es nicht!
Am Donnerstag beobachten René und ich die Austernfischer, die mangels Austern haufenweise Miesmuscheln knacken.






Eine Truppe Weißwangengänse kommt vorbeigeflogen und anschließend nahezu 1000 (eintausend!) Ringeltauben auf ihrem Weg nach Süden. Sehr nahe an uns fliegen auch einige Kanadagänse vorüber.


Nachmittags fahre ich zum Stakendorfer Strand und wandere zur großen T-Bune, in deren Schutz sich eine Art Windwatt bildet, in dem sich zahlreiche Limikolen tummeln. Vor der T-Bunde macht sich gerade ein Eiderenten-Weibchen aus dem Staub.




Auf den anderen Bunen ruhen sich die Möwen aus, darunter befinden sich auch einige der großen Mantelmöwen. An der großen T-Bune riecht es nicht gerade angenehm. Irgendwie nach Männer-Pissoir. Einen Naturfotografen kann aber nichts erschrecken. Ich schmeiße mich in das duftende Seegras und lichte den Knutt ab, der einige Meter von mir über den Stakendorfer Strand stakst und sich die Bröckchen aus dem Schlick fischt.





Ein Rotschenkel erscheint. Er macht einen sehr zerzausten Eindruck. Kämmen lassen will er sich nicht. Dann soll er halt weiter so unmöglich herumlaufen.




Ansonsten tummeln sich wieder hauptsächlich Alpenstrandläufer im Windwatt herum.

Einige Pfeifenten pfeifen mir was. Es ist wohl die Melodie von „Die Brücke am Kwai“ (Colonel Bogey March). Leider gehen offensichtlich viele der Melodieteile in der Brandung unter…


Ich wandere zurück zum Parkplatz und lege mir die 3 Euro zurecht, die man einschmeißen muss, damit die Schranke sich öffnet.
Während ich das tue, beobachte ich ein Pärchen, das am Automaten herumnestelt, der sich unmittelbar an der Schranke befindet. Die Schranke öffnet sich, während die Beiden gemütlich über den Parkplatz Richtung Auto marschieren. Ich weiß nicht, wie lange so eine Schranke offen bleibt. Jedenfalls nutze ich die Gelegenheit und fahre durch die geöffnete Schranke, die sich unmittelbar hinter mir wieder schließt. Haben die Beiden jetzt für mich bezahlt? Ich weiß es nicht…
Heute Abend vertilge ich noch einmal die geniale Fischplatte.




Am letzten Tag fahre ich zum Sehlendorfer Binnensee und besuche die dortige Vogelbeobachtungs-Plattform, wo bereits ein Fotograf auf lohnenswerte Protagonisten wartet. Wir unterhalten uns ausgiebig. Außer Kranichen, die die Plattform überfliegen (sie halten sich ständig hier auf), ist diesmal nichts Lohnenswertes zu sehen. Klar: Jede Menge Graugänse, einige Zwergtaucher, Schwäne usw. sind schon da. Aber weder Fisch- noch Seeadler lassen sich blicken, und für Limikolen ist der Wasserstand zu hoch. Sie ziehen sich auf die weiter draußen liegenden Schlickflächen zurück. Das ist halt das Los des Naturfotografen.


Am nahegelegenen Strand versuche ich, die dortigen Limikolen abzulichten, werde aber leider ständig durch Spaziergänger gestört, die bei mir stehen bleiben, ein Schwätzchen halten wollen und die Vögel aufscheuchen.
Ich fahre frustriert zur NABU-Naturstation Bottsand, wo René gerade seine Sachen packt. Dort lerne ich die Leiterin der Station kennen. René zeigt mir noch eine Stelle, wo im Winter die Skandinavischen Wasseramseln rasten und wo Nistkästen für die Schellenten in den Bäumen hängen. Da werde ich allerdings erst bei meinem nächsten Aufenthalt hinkommen.
Heute gibt es im Hotel meine Henkersmahlzeit: Fischplatte.
Morgen geht es in der Frühe wieder heimwärts. Aber ich freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Nord-Ostsee-Besuch!
René hat mir mit seinen Tipps und den gemeinsamen Exkursionen einen schönen Freundschaftsdienst erwiesen. Er bietet aber auch mit seinem enormen Wissen professionelle Führungen für Vogelfreunde und Fotografen an. Interessenten sollten diesem Link folgen bzw. mit ihm hier Kontakt aufnehmen.
Wohl gesättigt und mit reichlich schönen Fotos hast du dir dann ein vorweihnachtliches Geschenk gemacht.
Schön, dass du uns daran teilhaben lässt.
Auch ich und meine Partnerin wünschen dir und Gattin ein gesegnetes Fest und der “ Gute Rutsch „ins Neue Jahr möge ohne körperliche Blessuren erfolgen.
es grüsst dich Heinz
Hallo Heinz,
vielen Dank für Deine Kommentare und die guten Wünsche!
Auch an Deine bessere Hälfte liebe Grüße
Ronald
Moin Moin Ronald!!!
Mal wieder ein großartiger Reisebericht von dir!!! Und hat riesig Spaß gemacht dir „mein“ Revier zeigen zu können.
Ich freue mich auf ein nächstes Mal.
Viele Grüße und alles Gute
René
Moin René,
habe mich über Deinen Kommentar gefreut! „Dein“ Revier besuche ich gerne noch öfter!
Liebe Grüße
Ronald