Cirrus-Nebel im Sternbild Schwan

Plate Solving – Genialer Astrofotografie-Helfer

Das Plate Solving ist ein genialer Helfer in der Astrofotografie. Plate Solving unterstützt beim Einrichten (Einnorden) der Montierung, beim Aufsuchen und genauen Positionieren des gewünschten Objekts im geplanten Bildausschnitt, beim Zuordnen der richtigen Sternfarben während der Bildentwicklung, beim Beschriften der einzelnen Objekte auf einem fertigen Astrofoto und beim Identifizieren eines unbekannten Himmelsausschnitts auf einem Foto. Der vorliegende Artikel zeigt Dir, wie Du Plate Solving für Dich nutzen kannst.

Der Ausdruck „Plate Solving“ kommt aus dem Englischen „Plate“ = Platte und „Solve“ = lösen. Frei übersetzt also „Plattenlösung“. Damit ist nicht die Lösung von Wohnungsproblemen in der ehemaligen DDR mit Hilfe von Plattenbauten gemeint, sondern, platt ausgedrückt, das Lösen von Suchanfragen mittels (Foto-) Platten. Es wird vermutet, dass das Wortteil „Plate“ von alten Himmelsregion-Aufnahmen auf Fotoplatten herrührt, die, inzwischen digitalisiert und durch neuere Aufnahmen ergänzt , für das Solving verwendet werden.

Wie funktioniert das Plate Solving? Ganz einfach ausgedrückt: Es wird ein Astrofoto mit Aufnahmen verglichen, die in entsprechenden (Astro-)Datenbanken vorhanden sind. Bei Übereinstimmung können die Objekt-Informationen aus den Datenbanken in das Suchfoto übertragen werden. Tatsächlich ist es so, dass jedem Pixel des Suchfotos eine entsprechende Himmelskoordinate aus der Datenbank zugeordnet wird. Mit Hilfe dieser Koordinaten können die Objekte aus den unterschiedlichsten astronomischen Katalogen (Sterne, Planeten, Kometen, Galaxien, Nebel usw. usw.) referenziert werden.

Wie genial das Plate Solving genutzt werden kann und welche Möglichkeiten es uns erschließt, will ich nachfolgend erklären.

Die erste Plate Solving-Anwendung: Das (halbautomatische) Einnorden der Montierung

Fangen wir mit dem Aufbau und dem Einrichten unseres Astro-Equipments an. Die Einnordung (Ausrichtung auf den Polarstern) erfolgt herkömmlicherweise per Auge und Hand über den Polsucher. Der Polarstern muss auf einer im Polsucher vorhandenen Skala positioniert werden. Dies ist abhängig vom eigenen Standort und der Uhrzeit und  manchmal mühsam und fehlerbehaftet. Der Polsucher muss gut justiert sein, der Polarstern darf nicht mit einem anderen Stern verwechselt werden und er muss auf der Skala sehr genau positioniert werden.  Wer den Polarstern nicht sehen kann, weil er z.B. von seinem Südbalkon aus fotografieren will, hat mit dieser Methode kaum eine Chance.

Für alle diese Probleme gibt es aber eine Lösung: Das Plate Solving. Programme wie PHD2, SharpCap, N.I.N.A. usw. nutzen das Plate Solving für die (halbautomatische) Polausrichtung. Die Voraussetzung: Ein Rechner und eine GoTo-Montierung mit PC-Schnittstelle (z.B. EQMOD/ASCOM). Die kostenlose Software „N.I.N.A.“ z.B. benötigt keine freie Sicht auf den Polarstern für die Einnordung. Die Montierung (natürlich mit aufgeschraubter Optik und angeschlossener Kamera) wird auf eine Himmelsregion gefahren, es wird ein Foto geschossen, dieses „gesolved“, also mit Datenbanken verglichen, die Montierung neu positioniert, die Region neu fotografiert und gesolved, bis die Abweichung von der idealen Einnordung errechnet und angezeigt werden kann. Während nun laufend Aufnahmen gemacht und diese gesolved werden, hat der Anwender die Gelegenheit, die angezeigten Abweichungen nach rechts und links mit Hilfe der Azimutschrauben und in der Höhe mit Hilfe der Elevationsschrauben zu korrigieren. Dabei wird die Abweichung per Plate Solving stets neu berechnet und angezeigt. Auf diese Weise kann der Anwender eine annähernd ideale Polausrichtung erreichen.

Die zweite Plate Solving-Anwendung: Einen geplanten Bildausschnitt exakt am Himmel treffen

Bevor ein gewünschtes Objekt mit einer GoTo-Montierung halbwegs getroffen werden kann, muss ein sog. 3-Star-Alignment  mit Hilfe des Handcontrollers durchgeführt werden. Das ist umso wichtiger, je längere Brennweiten genutzt werden. Damit wird es aber auch umso komplizierter. Sehr, sehr viel wertvolle Zeit habe ich anfangs damit zugebracht, ein Objekt mit dem Handcontroller und später mit der GoTo-Steuerung über Stellarium zu treffen. Bei diesem Vorgehen müssen Zwischendurch immer wieder Testfotos geschossen werden, um zu kontrollieren, ob das Zielobjekt bereits im Bildfeld ist. Dann kann begonnen werden, die Feinjustierung auf den gewünschten Bildausschnitt durchzuführen. Ggfls. inklusive der Drehung der Kamera. Muss das Objekt über mehrere Nächte hinweg fotografiert werden, so ist das Reproduzieren eines identischen Bildausschnitts kaum möglich.

Z.B. mit N.I.N.A. und Plate Solving ist dies kein Problem mehr. Am Schreibtisch wird mittels Stellarium und N.I.N.A. das Foto genau geplant (siehe auch: „Stellarium – Planungsspaß für Astrofotografen“) und die Planung in N.I.N.A. als Sequenz abgespeichert. Am Beobachtungsort wird die Planung aufgerufen und in N.I.N.A. gestartet. Die GoTo-Montierung wird von N.I.N.A. auf das gewünschte Objekt positioniert, per Plate Solving die Exaktheit überprüft, die Position korrigiert usw. Selbst zu einer evtl. notwendigen Kameradrehung für den gewünschten Bildausschnitt wird der Anwender so lange aufgefordert, bis diese stimmt. Selbst dann, wenn die Aufnahme eines Objekts erst im folgenden Jahr wieder fortgeführt werden kann, so wird der richtige Bildausschnitt Dank Plate Solving erneut exakt getroffen.  

Die dritte Plate Solving-Anwendung: Exakte Farben

Du möchtest während der Entwicklung  Deines Deep Sky-Fotos einen automatischen Weißabgleich durchführen und den darauf befindlichen Objekten die richtigen Farben zuordnen?
Kein Problem dank Plate Solving. Programme zur Entwicklung von Astrofotos, wie z.B. das hervorragende PixInsight oder die kostenlosen Programme SIRIL (siehe: „SIRIL-Anleitung – Kostenlose Astro-Fotobearbeitung“, Regim usw. bieten die sog. photometrische Farbkalibrierung (B+V-Kalibrierung) an. Für die Identifizierung der abgebildeten Region ist die Angabe der Pixelgröße des verwendeten Kamerasensors und der Brennweite erforderlich (diese Angaben können bei einigen Programmen im Falle von Fits-Dateien ggf. aus dem Datei-Header ermittelt werden). Desweiteren ist die Angabe eines Objektes nahe des Bildzentrums notwendig (PixInsight, Siril). Regim fordert statt dieser Angaben das Blickfeld (FOV = Field of View), welches z.B. hier „Astrophotography by HRAstro“ ermittelt werden kann.

Die vierte Plate Solving-Anwendung: Objekte auf einem Foto beschriften

Möchtest Du die Objekte (oder einen Teil davon) auf Deinem fertig entwickelten Astrofoto mit ihren Bezeichnungen  versehen, so kannst Du dies z.B. mit der Software PxInsight realisieren. Dort gibt es das Script „ImageSolver“, welches jedes Pixel des Fotos der entsprechenden Himmelskoordinate zuordnet. Mit dem Script „AnnotateImage“ werden die ermittelten Koordinaten genutzt, um den Objekten auf dem Foto ihre Bezeichnungen hinzuzufügen. Dabei kann der Anwender wählen, welche Kataloge (NGC/IC, Dunkelnebel, Sterne usw. ) verwendet werden sollen, um das Foto nicht völlig mit Objektbezeichnungen zuzupflastern.

Plate Solving: Sh2-101 - Tulpennebel im Sternbild Schwan
Sh2-101 – Tulpennebel im Sternbild Schwan mit Beschriftungen per Plate Solving
Plate Solving: Crescent-Nebel im Sternbild Schwan
Crescent-Nebel im Sternbild Schwan mit Beschriftungen per Plate Solving
Die fünfte Plate Solving-Anwendung: Einen unbekannten Himmelsausschnitt identifizieren/analysieren

Du möchtest für ein Foto wissen, welcher Himmelsausschnitt dargestellt ist, weil Du es nicht weißt, oder Du nicht sicher bist. Angaben, wie Pixelgröße, Brennweite oder FOV kannst Du nicht machen, weil Du die Umstände, unter denen das Foto erstellt wurde, nicht (mehr) weißt. Die Lösung: Blind Solving. Diese Option bietet z.B. der Plate Solver „Astronomy.net“. Für die Betriebssysteme Linux/Unix und MacOS kann der Plate Solver heruntergeladen und installiert werden. Unter Windows läuft der Solver leider nicht. Außer, man portiert die Anwendung mit Hilfe des Programms CygWin selber auf das Betriebssystem Windows.  Ansonsten gibt es die Möglichkeit, online ein Suchfoto auf „Astrometry.net“ hochzuladen. Man erhält nach einigen Sekunden/Minuten eine Liste der enthaltenen Objekte. Allerdings wird das Foto dadurch auch auf dieser Plattform veröffentlicht. Letzteres kann verhindert werden, indem ein Account eröffnet und die Sichtbarkeit in den erweiterten Einstellungen eingeschränkt wird. Eine weitere Möglichkeit für das Plate Solving per Astronomy.net ist die Veröffentlichung in der Astrometry-Group bei Flickr (für Mitglieder).

Plate Solving: Astronomy.net-Upload-Seite
Astronomy.net-Upload-Seite
Plate Solving: Astronomy.net - Foto hochgeladen
Astronomy.net – Foto hochgeladen
Astronomy.net - Ergebnis
Astronomy.net – Ergebnis

Die bekanntesten/gebräuchlichsten Plate Solver:

  • ASTAP – Sehr schneller Solver (wird standardmäßig von N.I.N.A. genutzt), verfügbar für die gängigsten Betriebssysteme
  • Platesolve2 –  Verbreiteter Solver, verfügbar für Windows
  • All Sky Plate Solver – Ebenfalls ein bekannter Plate Solver

Zusätzlich zu ASTAP und Platesolve2 müssen deren Objektkataloge heruntergeladen und installiert werden (ASTAP: W08, V17, H17 und H18, Platesolve2: APM oder UCAC3). Der All Sky Plate Solver fordert  dagegen beim Start auf, den für das Blickfeld des Fotos (FOV) entsprechenden Index zu laden.  

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