Mehrfach nutze ich Ende September 2017 die Gelegenheit, ein besonderes Federvieh am Federsee zu besuchen: Die seltenen und bei Naturfotografen begehrten Bartmeisen.
In meinem Garten habe ich vor Jahren schon einmal eine „Bartmeise“ fotografiert, das war aber offensichtlich eine maskierte, wie Du am Titelbild sofort festgestellt hast. Im vorliegenden Bericht aber geht es um echte Bartmeisen.
Von Höchenschwand aus fahre ich morgens um 04:30 Uhr los, um zum Sonnenaufgang am etwa 170 km entfernten Federsee zu sein. Ein Erlebnis besonderer Art trifft mich unterwegs: Als ich hinter einem kleinen Dorf auf einsamer Strecke um eine scharfe Kurve fahre, muss ich eine Vollbremsung machen, denn unmittelbar vor mir kämpfen im Scheinwerferlicht zwei Rehböcke mitten auf der Straße. Da ich nur 2 Meter von ihnen entfernt bin, habe ich Angst, dass sie mir während ihres Kampfes auf das Auto springen. Ich lege also sofort den Rückwärtsgang ein, um mich von den Tieren schnellstens zu entfernen. Als der Motor aufheult, hören die Böcke auf zu kämpfen und springen in den dunklen Wald hinein. Mein Garmin-Navi führt mich weitere seltsame Wege. Es soll angeblich die schnellste Route sein. Statt um sieben Uhr, treffe ich kurz vor acht auf dem Parkplatz in Bad Buchau ein.
Neben mir packt gerade ein Fotograf mit seinen zwei Begleiterinnen seine Fotoausrüstung aus dem Fahrzeug. Wir kommen ins Gespräch. Gestern waren sie auch schon hier und kennen nun die Stelle, an der die Bartmeisen zuverlässig zu fotografieren sind. Weniger zuverlässig ist heute die Sonne. Temperaturen um den Gefrierpunkt und Nebel lassen nichts Gutes ahnen.
Ich schließe mich den Marburgern auf dem etwa 1 km langen Weg über den Federseesteg an. Sinnigerweise haben sie etwas sehr feinen (Vogel-)Sand mitgebracht, der auf einen kleinen Stichsteg und das Geländer gestreut wird. Die Bartmeisen sind sofort da, um die winzigen Sandkörner dankbar aufzunehmen. Sie brauchen das, um ihre Winternahrung, die Schilfsamen, besser verdauen zu können.
Die Bartmeisen sind da, aber das Licht nicht, denn der Nebel will und will nicht weichen. Erst gegen 10:00 Uhr kommt die Sonne etwas durch. Die Bartmeisen sitzen nun leider ungünstig und teilweise verdeckt im Schilf und betreiben Gefiederpflege: „Schaut, da sitzen die Bartmeisen und putzen sich.“, sagt die Marburgerin. Ich entgegne: „Putzen und waschen ist o.k., aber Hauptsache, sie rasieren sich nicht!“
Als dann gegen 10:30 Uhr die Sonne endlich voll scheint, kommen die Touristen, und wir müssen ständig mit unseren Stativen Platz auf dem schmalen Weg machen. Besonders tragisch: Durch die vorbeigehenden Touristen werden die Bartmeisen vom auf dem Boden liegenden Sand aufgescheucht und fliegen auf die Schilfhalme, wo wir sie gut fotografieren könnten, wenn wir nicht ständig Platz machen müssten.
Wir packen unsere Sachen, und die Marburger fahren nach Hause, während ich mich diesmal von meinem Smartphone und GoogleMaps über die kürzere, schnellere und angenehmere Strecke zurück nach Höchenschwand leiten lasse.
Einen Tag später besuche ich die Bartmeisen erneut. Diesmal bin ich bereits um 7:00 Uhr vor Ort. Wieder Nebel, der sich allerdings recht schnell verzieht. Am alten Standort kann ich heute wegen der noch fehlenden Fotografen eine optimale Position einnehmen. Dafür sind allerdings keine Bartmeisen da. Nach fast zwei Stunden erfolglosen Wartens, fasse ich den Entschluss, zurück nach Höchenschwand zu fahren. Ich muss sowieso zeitig zurück sein, denn am frühen Nachmittag will ich mit meiner Frau zum Strohskulpturen-Wettbewerb Höchenschwand. Heute ist dort Schlachtfest, eine gute Gelegenheit, drohenden Gewichtsverlust zu bekämpfen. Und abends habe ich noch Kirchenchor-Generalprobe für das kommende Michaeli-Fest in Höchenschwand.
Meinen Entschluss muss ich dann allerdings revidieren, denn nun kommen die Bartmeisen und geben mir und den anderen inzwischen eingetroffenen Fotografen einige Sondervorstellungen. Auch wenn die Sonne schon etwas höher steht und das schöne weiche Morgenlicht nicht mehr da ist, so gelingen mir doch einige sehenswerte Fotos.
Voller Freude über die gelungenen Fotos und voller Vorfreude auf das Schlachtfest fahre ich zurück nach Höchenschwand.
Am Montag bin ich erneut zeitig am Federsee. Mit Kumpel Peter habe ich mich verabredet. Und wieder ist es nebelig. Die Sonne kämpft sich recht schnell durch den Nebel hindurch, so dass wir auch heute mit vielen guten Fotos belohnt werden.
Um 10:00 Uhr machen Peter und ich uns auf den Weg, denn wir wollen am Klingnauer Stausee Seidenreiher, Brachvogel und Tüpfelsumpfhuhn fotografieren (siehe: Ein Sumpfhuhn ist selten allein – Beobachtungen bei Koblenz und Bregenz).
Hallo Ronald
… nicht immer ist das frühe aufstehen erquickend ..
Für dein Vorhaben am Federsee war es wohl erforderlich..
Dass das Wetter nicht so spielt wie wir Fotografen es gerne hätten ist mittlerweile auch unserem neuen Klimaverhältnissen zuzuschreiben. Ein zweiter Gang ist manchmal, oder sogar meist der bessere wie sich an deinen hervorragenden Bildergebnissen erkennen lässt.
Dein Erfahrungs- und Reisebericht liest sich wie immer entspannend und aufklärend. Dank dafür,auch für die Dir wieder bestens gelungenen Fotos.
gr heinz
Hallo Heinz,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich sehe Dich und Josef schon geistig am Federsee…
Liebe Grüße
Ronald