Im Supermarkt – Oder: Meine kostbare Lebenszeit

Der Einkauf im Supermarkt kann ein echtes Erlebnis sein. Einen kleinen Ausschnitt aus meinem kaufmännischen Rentnerdasein möchte ich dem geneigten Leser heute präsentieren.

Für den Großeinkauf im Supermarkt benötigt man einen Einkaufszettel. Ich bin EDV-Rentner und benutze eine App. Da brauche ich die Artikel, nachdem ich sie einmal eingetragen habe, nur immer wieder aktivieren bzw. deaktivieren. Wichtige Unterstützung liefert dabei das wöchentliche Angebots-Prospekt des Marktes.

Neben dem Einkaufszettel und dem obligatorischen Euro für den Einkaufswagen ist es wichtig, viel Kleingeld mitzunehmen. Je mehr und je kleiner, umso besser. Was man mit dem Kleingeld so alles anstellen kann, davon werde ich hier später berichten, wenn es zum großen „Showdown“ kommt.

Ach ja: die 2 Kästen mit Bierflaschen und 15 Einzelflaschen, sowie 4 große Tüten PET-Leergut müssen natürlich auch mit.

So gerüstet, kann die Fahrt zum Supermarkt beginnen. Wenn da nicht ständig diese lahmen Enten wären, die mir durch ihre Fahrweise meine wertvolle Lebenszeit stehlen. Aber irgendwann komme ich am Supermarkt an. Dort gilt es zunächst, einen optimalen Parkplatz zu finden. Denn jeder Meter, den ich zu Fuß zurücklegen muss, ist verschwendete Energie, die ich später wieder durch fett- und kohlehydratreiche Kost ausgleichen muss. Ich habe mir halt nachhaltiges und umweltbewusstes Handeln zu Eigen gemacht.

Das Leergut stelle ich in den Einkaufswagen und mache mich auf den Weg zum Leergut-Automaten. Leider hat der Einkaufswagen eine Macke und zieht mich ständig nach links. Eine Geradeausfahrt ist nur mit großer Anstrengung möglich. Deshalb kann ich den Angriff eines fremden Leergutfrachters nicht abwehren, dessen Wagen trotz Überfüllung  nicht laufend richtungskorrigiert werden muss und der mich deshalb mühelos überholen kann. So stehe ich nun stundenlang hinter ihm am Leergut-Automaten, bis dieser endlich vom Leergutfrachter wieder freigegeben wird.

Die erste Plastikflasche stecke ich in die Röhre mit dem Transportband. „Dieser Artikel gehört nicht zu unserem Sortiment“. Die Flasche kommt zurück. Die nächste auch, weil der Strichcode nicht in Ordnung ist. Versuchen wir es mit den Bierkästen. Der zweite Kasten kommt auch zurück. Nachdem ich ihn dreimal gedreht und gewendet habe, funktioniert es endlich. Weiter mit den PET-Flaschen. „Bitte wenden Sie sich an das Personal“. Offensichtlich ist der Aufnahmebehälter voll. Ich drücke die Klingeltaste und warte auf den Mitarbeiter. Die Schlange abgabewilliger Leergutinhaber hinter mir wird immer länger. Unmut macht sich breit. Ich ernte böse Blicke, denn ich bin ja offensichtlich der Verursacher des Dilemmas. Nach zehn Minuten kommt der Leergutautomaten-Spezialist. Sein Achselzucken verheißt nichts Gutes. Er muss den Oberspezialisten holen. Weitere 10 Minuten später ist der Automat endlich wieder funktionstüchtig und ich werde mein Leergut los. Unter den nicht gerade freundlichen Blicken der Wartenden, will ich fluchtartig den Leergutraum verlassen. Doch meine Füße gehorchen mir nicht. Warum? Die Schuhe kleben fest im Siff vor dem Automaten, und ich muss alle Mühe aufbringen, mich loszureißen. Auch wenn ich die Sohlen meiner Schuhe zurücklassen muss, bin ich doch froh, dass wenigstens das Obermaterial gehalten hat.

Endlich bin ich im Supermarkt angekommen, der erst kürzlich zum wiederholten Mal umgebaut wurde. Umherirrende, bis auf die Knochen abgemagerte Kunden sind verzweifelt auf der Suche nach den Artikeln ihrer Begierde. Einige sind gezwungen, auf lebenserhaltende Maßnahmen zurückzugreifen und essen die Wurst direkt aus dem Regal.

Auch ich brauche ewig, bis ich wenigstens einen Teil der gewünschten Waren zusammen habe. Viele meiner gewohnten Wunschartikel sind leider nicht da. Ich habe überhaupt den Eindruck, dass in den Läden neuerdings manchmal Mangelzustände wie in der DDR herrschen.

Aber zumindest haben sie meine Apfelschorle, meinen verpackten Leberkäse und die Salami. Auch das Heringsfilet in Ei-Senfsauce ist vorrätig. Ich schnappe mir von dem Ei-Senfsaucen-Stapel gleich drei Dosen. Zu Hause merke ich, dass nur die oberste Dose eine mit Ei-Senfsauce ist, die anderen aber mit „Teriyaki-Sauce“. So ein Zeug, das ich nicht aussprechen kann würde ich nie freiwillig kaufen. Offensichtlich kriegt der Supermarkt den Kram nicht los und mixt ihn unter gängige Artikel, in der Hoffnung auf so unbedarfte Kunden wie mich.

Natürlich achte ich im Supermarkt peinlichst auf die Haltbarkeitsdaten und krame alles von ganz hinten im Regal nach vorne, um die Teile mit der höchsten Lebenserwartung zu erwischen. Schließlich sollen meine Erben die Lebensmittel auch noch nach meinem Tod verwenden können.

Im Angebot ist heute Hefeweizen. Statt 20,99 Euro nur 13,99 für den Kasten. Da werde ich gleich 2 Kästen einpacken und freue mich, 14 Euro sparen zu können! Leider ist das Angebot bereits ausverkauft, obwohl es erst seit heute  gilt und ich zur Ladenöffnung eingetroffen bin.

Auch die große 450ml-Packung meines Duschgels ist im Angebot! Sie ist tatsächlich vorrätig. Ich rechne nach und stelle fest, dass der Normalpreis der kleinen 225ml-Packung auf den Liter gerechnet wesentlich billiger als das Angebot ist.

Mein Luxusgrill braucht auch Beschäftigung, weshalb ich mich in Richtung Frischfleisch-Theke bewege. Da ich Ordnung liebe, stelle ich mich brav an und warte, bis ich drankomme. Ich warte sehr lange. Eine geschlagene Viertelstunde! Ich beschwere mich darüber, dass ich hier einfach ignoriert werde. Die Fleischfachverkäuferin klärt mich auf, dass hier Ordnung herrsche und nicht jeder machen könne, was er wolle! Dafür gibt es den Kasten an der Wand, wo ich mir eine Wartemarke ziehen müsse. Ich solle mich dann melden, wenn die Nummer meiner Marke an der Tafel aufleuchtet.

Irgendwann ist es vollbracht und ich erreiche endlich den Kassenbereich. Normalerweise gerate ich stets an eine Kasse, wo die Papierrolle zu Ende ist, der Preis eines Artikels meines Vordermanns/meiner Vorderfrau erst zeitaufwändig ermittelt werden muss, die Geldkarte nicht funktioniert, ein dösiger Rentner seine Unmengen Kleingeld zählt, oder gleich alles zusammen.

Um diese Risiken möglichst gering zu halten, stelle ich meinen Einkaufswagen quer und verbaue somit nachfolgenden Zahlungswilligen den Weg. Meine Strategie funktioniert! Eine neue Kasse macht auf und ich kann aufgrund meiner intelligenten Streitwagen-Positionierung die neue Kasse als erster erreichen.

Hinter mir ist der Leergutfrachter-Mann. Er ist echt sauer, denn er wäre mit seinen zwei Teilen (einer Familienpackung Eis und gefrorene Fischstäbchen) gerne vor mir an der Kasse gewesen. Aber ich kann nicht auf jeden Rücksicht nehmen. Als Rentner ist meine Lebenszeit begrenzt und deshalb sehr kostbar! Und außerdem habe ich am Leergutautomaten lange genug hinter ihm warten müssen.

Er ist wohl sehr sauer, denn er fährt mir mit seinem Einkaufswagen vermutlich absichtlich in die Hacken. Na warte!

Ich habe viel Zeit! Ich bin Rentner! Bedächtig lege ich Teil für Teil aus  meinem hochvollen Einkaufswagen auf das Transportband. Und sortiere die Artikel akribisch nach ihrer Empfindlichkeit. Wäre doch dumm, wenn zuerst das Brot vom Transportband in den Einkaufswagen geraten und von Flaschen o.ä. zerdrückt werden würde.

Inzwischen hat der Mann hinter mir sein Eis und die Fischstäbchen auch bereits auf das Band gelegt. Er kann nicht mehr zu einer anderen Kasse wechseln, zumal sich hinter ihm bereits weitere Kunden stapeln.

Nachdem die Kassiererin alle meine Artikel eingescannt hat, geht es ans Bezahlen. Ob ich Treuepunkte sammeln würde? „Nur bei meiner Frau.“ antworte ich und zücke meine Sparkassen-Karte. Der Mann hinter mir verdreht jetzt schon die Augen. Nicht ganz zu Unrecht, denn irgendwie habe ich meine Geheimzahl vergessen. Nach zwei Eingabeversuchen breche ich den Zahlungsvorgang vorsichtshalber ab. Es folgt Plan B. Ich krame mein Kleingeld hervor. Cent für Cent zähle ich ab und lege es der Kassiererin in die Geldschale. Einige Zeit später: Noch 4 Cent, noch 3 Cent, noch 2 Cent – Mist! Gerade der letzte Cent fehlt! Ich sammel all mein Kleingeld Cent für Cent wieder ein. Das Erdbeereis meines Kontrahenten beginnt bereits, sich auf dem Transportband zu verteilen und die Fischstäbchen fangen an zu riechen. Ich ziehe einen 100-Euro-Schein aus der Geldbörse. Die Kassiererin gibt mir das Wechselgeld zurück und will sich dem Mann hinter mir zuwenden. Dessen Nerven sind völlig am Ende und sein Geduldsfaden wollte gerade reißen. Er atmet auf.

Da ziehe ich meine letzte Trumpfkarte: Den Leergutbon! Damit hat keiner mehr gerechnet! Die Kassiererin muss wieder scannen und die Kasse zur Auszahlung erneut öffnen. Der Mann hinter mir ist den Tränen nahe. Es sind Tränen der Hilflosigkeit und der Wut. Aber warum ist er mir auch in die Haxen gefahren und hat mich am Leergutautomaten so lange aufgehalten?   

Mit einem kurzen, triumphierenden Blick in das hasserfüllte Gesicht meines Hintermannes verlasse ich den Kassenbereich.

Klar, dass ich noch vor meinem Kontrahenten an der Bäckerei-Theke bin und er dort erneut das Vergnügen mit mir hat…

Irgendwie macht Einkaufen im Supermarkt doch Spaß.

Zu Hause kommt dann die Ernüchterung: Nicht nur, dass ich auf die falschen Fischdosen hereingefallen bin, auch habe ich mich am Leberkäse und der Salami vergriffen und diese aus Geflügelfleisch statt aus Schweinefleisch heimgeführt. Ebenfalls wusste ich nicht, dass die Apfelschorle mit der blauen Kappe viel weniger Apfelsaft enthält, als die mit der grünen Kappe. Und die Tüte mit den bezahlten Brötchen habe ich vor lauter Konzentration auf den Leergutfrachter-Mann auch auf der Bäckerei-Theke liegen lassen.

Das nächste Mal schicke ich wieder meine Frau einkaufen. Es sei denn, ich habe genug Kleingeld und will mal wieder Spaß an der Kasse haben…

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